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Aus dem Überall

Aus dem Überall

Titel: Aus dem Überall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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»Time-Sharing Angel«
Copyright © 1977 by James Tiptrce, Jr.
(erstmals erschienen in »The Magazine of Fantasy and Science Fiction« Oktober 1977)
Copyright © 1979 der deutschen Übersetzung
by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Ronald M. Hahn

Wir haben den Traum gestohlen
(WE WHO STOLE THE DREAM)
     
     
    Die Kinder konnten in den versiegelten Containern nur zwölf Minims überleben.
     
    Jilshat schob den schweren Karren durch die Dunkelheit, so schnell sie es wagte. Sie betete, daß sie nicht die Aufmerksamkeit des terranischen Wächters erregte, der vor ihr im Flutlicht stand. Als sie das letztemal vorbeigekommen war, hatte er sich erhoben und sie mit seinen erschreckenden hellen Alienaugen angesehen. Aber da hatte sie nur Behälter mit gärenden Amlat-Früchten auf ihrem Karren gehabt.
    Jetzt aber war, in einer Ecke zusammengerollt, in einem der Behälter ihr gerade geborener Sohn Jemnal versteckt. Vier Minims waren schon verstrichen, als sie den Karren im Wiegeschuppen beladen hatte. Es würde noch einmal vier oder vielleicht fünf dauern, ihre Last zum Schiff hinauszurollen. Dann würden ihre Gefährten sie mit dem Förderband nach oben schicken. Und es würde noch einmal einige Zeit dauern, bis ihre Gefährten im Schiff Jemnal gefunden und befreit hatten. Jilshat schob schneller, und ihre schwachen, grauen, menschenähnlichen Beine zitterten.
    Als sie zum beleuchteten Tor kam, drehte der Terraner den Kopf herum und sah sie.
    Jilshat duckte sich und versuchte, sich noch kleiner zu machen. Sie bemühte sich, nicht zu rennen. Oh, warum hatte sie Jemnal nicht mit einer früheren Fuhre gebracht? Die anderen Mütter hatten ihre Kinder schon abtransportiert. Aber sie hatte Angst gehabt. In letzter Minute hatte sie der Glaube verlassen. Es schien unmöglich, daß der über lange Zeit und so mühsam vorbereitete Plan nun endlich wahr wurde, daß ihr Volk, die armen, schwachen, winzigen Joilani, tatsächlich die mächtigen Terraner im Frachtschiff überwältigen und unterwerfen könnten. Aber das große Schiff stand im Lichtkegel seiner Scheinwerfer, und anscheinend war alles ruhig. Das Unmögliche mußte geschehen sein, sonst hätte es Unruhe gegeben. Die anderen Jungen waren schon in Sicherheit. Ja – jetzt konnte sie die leeren Lastentransporter sehen, die im Schatten standen; die Gefährten, die sie gebracht hatten, waren wohl schon ins Schiff geklettert. Es war Wirklichkeit, und es geschah, ihre große Flucht in die Freiheit – oder in den Tod. Und nun war sie fast an der Wache vorbei, fast in Sicherheit.
    »Oy!«
    Sie versuchte, das barsche terranische Bellen zu überhören und ging schneller. Aber mit drei gewaltigen Schritten stand er plötzlich vor ihr, und sie mußte stehenbleiben.
    »Bist du taub?« fragte er im Terranisch seiner Heimat. Jilshat konnte ihn kaum verstehen; sie hatte in den weit entfernten Amlat-Feldern gearbeitet. Sie dachte nur daran, daß die Zeit immer knapper wurde, während er, ohne sie aus den Augen zu lassen, mit dem Griff seiner Waffe auf die Behälter klopfte. Ihre dunklen, langwimprigen Joilani-Augen erforschten ihn stumm; in ihrer Angst vergaß sie die Warnungen, und ihr kleines, taubengraues Gesicht verzog sich zu dieser gequälten Miene, welche die Terraner ›Lächeln‹ nannten. Er lächelte müde zurück, als hätte auch er Schmerzen.
    »Ich arbeit, nich’«, quetschte sie heraus. Ein Minim war verstrichen, fast schon zwei. Wenn er sie nicht gleich gehen ließ, war ihr Kind zum Tode verurteilt. Sie glaubte schon, ein leises Wimmern zu hören, als kämpfte ihr mit Drogen betäubtes Kind schon mit dem Tod.
    »Muß gehen, nich! Männer im Schiff böse!« Ihr Lächeln wurde breiter und bekam gequälte Grübchen und wurde, was sie nicht wußte, zu einem verführerischen Gesichtsausdruck.
    »Laß sie warten! Weißt du, für eine Juloo-Moolie siehst du gar nicht schlecht aus.« Er machte ein seltsames Geräusch, das wie hahnha klang. »Ich muß die Eingeborenen nach Waffen durchsuchen. Zieh das aus!« Er hob ihren schmutzigen Jelmah mit der Mündung seiner Waffe hoch.
    Drei Minims. Sie riß sich den Jelmah herunter und zeigte ihm ihren kurzbeinigen grauen Körper, die breiten Hüften, die beiden Zitzen und den Bauch. Noch ein paar Herzschläge, und es wäre zu spät. Dann würde Jemnal sterben. Sie konnte ihn immer noch retten – sie konnte die Klammern aufbrechen und den erstickenden Deckel abziehen. Ihr Baby lebte noch. Aber

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