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Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Titel: Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Mark;Benecke Benecke
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All dies und mehr sind stumme Zeugen gegen ihn.
    Dieser Beweis vergisst niemals etwas. Er ist nicht durch die Spannung des Augenblicks verwirrt. Er ist nicht unkonzentriert, wie es menschliche Zeugen sind. Er ist ein sachlicher Beweis.
    Physikalische Beweismittel können nicht falsch sein, sie können sich nicht verstellen, sie können nicht vollständig verschwinden. Nur menschliches Versagen, diese zu finden, zu studieren und zu verstehen, kann ihren Wert zunichtemachen.« Also: Wer suchet, der findet.
    Auch im Fall »Mord unter Nachbarn« ging es um eine Art der Locard’schen Spuren-Übertragung: von einem Leser auf den nächsten Leser derselben Zeitung. Als ich mir die Fachliteratur ansah, stellte ich fest, dass wir nicht die Ersten waren, die diese Idee verfolgten. Schon 1997 hatten Kollegen festgestellt, dass sich DNA aus den klassischen Fingerabdrücken (den mit Tinte gefärbten, schwarzen Abdrücken der Fingerkuppe) gewinnen lässt. 1998 stellte sich heraus, dass zuvor berührte (getragene) Handtaschen, Werkzeuge und Kleidungsstücke durch Abreiben der Erbsubstanz den berührenden Personen zugeordnet werden können. Das funktionierte auch mit losen Hautzellen von einem Bett-Rahmen, nach Schlägen von der Haut des Geschlagenen und so weiter. Bis heute ist das Locard-Prinzip, so einfach es auch klingt, also ein guter Wegweiser durch Fälle, die verworren erscheinen: Lass diejenigen nachdenken, die das besser können, und suche stattdessen verwertbare Spuren.
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    Wer meine Bücher über Kriminalfälle liest, weiß, dass die Wirklichkeit – jedenfalls für meine KollegInnen und mich – spannender ist als jeder Roman. Der Fall M. ist ein gutes Beispiel dafür. Unsere Laboruntersuchungen hatten ja eigentlich nur bestätigt, was das Gericht von Anfang an angenommen hatte: Dass man beim Zeitungslesen sehr wohl (wenig) Erbsubstanz übertragen kann, dass aber angesichts der großen Menge DNA an den LeichenfingernHerr M. das Opfer angefasst haben musste. Was zunächst aber niemand ahnen konnte, war, dass Herr M. genau das von Anfang an hatte sagen wollen. Sein Anwalt verbot es ihm – vermutlich aus taktischen Gründen. Er fürchtete wohl, dass sein Klient sich sonst zu sehr in Gefahr begäbe, unschuldig verurteilt zu werden.
    Die Blase platzte, als ich eines Tages mit Herrn M. im Hochsicherheitsgefängnis saß. Wer noch nie im Knast war, kann sich das bizarre Gefälle zwischen der dortigen Alltäglichkeit und den von Außenstehenden als oft aufregend wahrgenommenen Abläufen gar nicht vorstellen. Hier saß ich beispielsweise zunächst einmal eine Viertelstunde lang unfreiwillig in einem Vorraum mit dem Koch der Anstalt zusammen. Das Zimmer bestand komplett aus Siebzigerjahresperrholz und laminierten Tischen. Der Koch feilschte mit dem ebenfalls anwesenden Großhändler um günstige Mehl- und Gemüse-Preise – und das alles hinter einer Mauer, die mit Nato-Klingendraht vielfach gesichert war. Aber so ist es im Gefängnis: bizarr, karg und einsam.
    Im Besprechungsraum, der knastüblich nur aus nackten Wänden, einem Tisch und drei Stühlen bestand, ging ich mit Herrn M. seine Geschichte durch. Ich war auf der Suche nach prüfbaren Sachbeweisen, die nichts mit Zeugen, Glauben, Denken und Hoffen zu tun hatten. Völlig selbstverständlich erzählte mir Herr M. dabei sein schreckliches Erlebnis, den Leichenfund. Keine Silbe davon hatte aber jemals in den Akten gestanden! Vor allem Herrn M.s (neuem) Anwalt, der soeben eintrat, fiel bei dieser Schilderung die Kinnlade herunter: Davon hatte auch er noch nie gehört. Gleichwohl sollte er seinen Mandanten aus dem Knast pauken. War der Verurteilte wirklich so obrigkeitshörig, dass er wegen der Anweisung seines ersten Anwaltes auch seinem neuen Anwalt nicht erzählt hatte, was passiert war? War er wirklich noch so geschockt? Oder spielte hier der eine mit dem anderen? Nun endlich tat ich das, was ich eigentlich am wenigsten mag: auf der Suche nach charakterlichen Anmerkungen im Urteil stöbern.
Aus der Urteilsbegründung
    Warum glaubt eigentlich niemand Herrn M.? Er hat einen Täter geliefert, der auch noch ein Motiv haben soll. Doch niemand ermittelt.
    Ein Grund dafür ist vermutlich, dass sein einziges Alibi für die Nacht von seiner Lebensgefährtin stammt. Der aber glaubte man kein Wort: »Die Aussage der Zeugin in Bezug auf die Fertigung der Grabgestecke ist unglaubhaft. Über eigene Erinnerungen verfügte sie hierzu nicht. Die diesbezügliche Aussage der Zeugin war

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