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Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Titel: Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Mark;Benecke Benecke
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unseres danach ebenfalls Zeitung lesenden »Opfers« (meine Kollegin) übertragen. Allerdings waren die Mengen sehr gering. Sollten also nur sehr geringe Mengen Erbsubstanz an den Fingern des Opfers vorgelegen haben, so wären diese vielleicht wirklich nur durch Zeitungslesen übertragen worden. Dann wäre es egal, wann, ob und wie lange Herr M. überhaupt in derWohnung gewesen war – das Vorliegen seiner DNA wäre problemlos bereits durchs Lesen erklärt.
    Die Frage war also, wie viel DNA sich auf den Händen des Toten befand. War es sehr wenig, so könnte sie wirklich vom Zeitungslesen stammen. War es aber viel, so müsste Herr M. die Leiche angefasst haben. Warum, das hatte er ja selber erklärt: Um zu prüfen, ob sein Nachbar tot war. Nur hatte er das, auf Anraten seines ersten Anwaltes, ja nicht zugegeben. Stattdessen hatte er so getan, als ob er niemals in der Nähe der Leiche gewesen war. Es ging also auch darum, ob Herr M. sich endlich ein Herz fassen und einräumen würde, die Leiche selbst angefasst zu haben. Vor allem aber war völlig unklar, ob die Verteidigung im nächsten Schritt die Aussage, dass Herr M. in der Wohnung gewesen war, überhaupt einführen wollte.
    Wie überrascht waren wir, als wir auf der Suche nach Angaben zu den DNA-Mengen an der Hand des Opfers die Akten durchwälzten. Denn dort stand, in den Worten des Gerichts, klipp und klar: »Eine Übertragung von DNA-Material ohne direkten Kontakt des Spurenverursachers mit einer weiteren Person ist durchaus möglich.« Wir staunten. Woher wusste das Gericht das? War bei der ersten Verhandlung etwa schon ein Sachverständiger eingeschaltet worden?
    So war es tatsächlich: »Da im vorliegenden Fall Signalstärken von teilweise über 600 RFU erreicht wurden, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass das ursprünglich vorliegende DNA-Material des Angeklagten in deutlich höherer Menge vorhanden gewesen sein muss, als es nach einem Sekundärtransfer der Fall gewesen wäre.« Mit anderen Worten: Das Gericht hatte dieselbe Frage, die wir im Experiment durch Zeitungslesen und Abreiben geprüft hatten, ebenfalls geprüft. Allerdings hatte es dafür keine Versuche durchgeführt, sondern einfach einen kriminalbiologischen Kollegen gefragt. Der hatte nachgedacht und war sich sicher, dass die Menge Erbsubstanz auf den Fingern der Leiche nur durch direktes Anfassen dorthin gelangt sein konnte.
    Damit standen wir nach wochenlangem Herumprobieren wiederam Anfang. Denn erstens kann nichts, was ein deutsches Gericht bereits einmal angesehen hat, in einer neuen Verhandlung noch einmal verwendet werden. Das ist eine große Schwäche des Rechts, denn es bedeutet für uns in vielen Fällen, dass abweichende Ergebnisse aus unserem Labor mit der Begründung vom Richtertisch gewischt werden, dass »darüber bereits in der vorigen Verhandlung gesprochen worden ist«. Dass diese Ergebnisse, auch wenn es um dieselben Spuren geht, deutlich anders sind als in der vorigen Verhandlung, also durch Nachdenken »geprüft«, aber nie Versuche gemacht wurden, interessierte in meinem bisherigen Sachverständigendasein niemanden.
    Der zweite Grund dafür, dass unsere Experimente zumindest für die Verteidigung keine Wirkung haben dürften, war, dass Herr M. nun auf jeden Fall alles darlegen musste – also auch, dass er am Tatort war, die Leiche dort gefunden und sie angefasst hatte. Doch diese Variante kannte anfangs niemand von uns. Wir standen deshalb zunächst vor einem Rätsel.
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    Spurenübertragung durch Berührung
    Die Locard’sche Regel besagt, dass jeder Kontakt zwischen zwei Objekten, Menschen oder Tieren Spuren bedingt. Sie geht auf den früheren Direktor des französischen Polizeilabors in Lyon, Edmond Locard, zurück, der sie um 1910 formulierte. Die Regel ist nicht so leichtfüßig, wie sie sich anhört. Sie bedeutet, dass man einfach nur genug suchen muss, um die Spur eines Täters oder Verbrechens zu finden. Die manchmal gehörte, schulterzuckende Aussage, dass der Täter leider keine Spuren hinterlassen habe, ist also Quatsch.
    Locard schrieb: »Überall dort, wo er (der Täter) geht, was er berührt, was er hinterlässt, auch unbewusst, all das dient als stummer Zeuge gegen ihn. Nicht nur seine Fingerabdrücke oder seine Fußabdrücke, auch seine Haare, die Fasern aus seiner Kleidung, das Glas, das er bricht, die Abdrücke der Werkzeuge, die er hinterlässt, die Kratzer, die er in die Farbe macht, das Blut oderSperma, das er hinterlässt oder an sich trägt.

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