Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
Der Angeklagte wurde immer fordernder.«
Ob das alles stimmt oder nicht, werden wir – wenn überhaupt – nur dann erfahren, wenn der von Herrn M. verdächtige Mann eines Tages seine Sicht erzählt. Von Herrn M. kann die Person nach seiner Auffassung nicht angezeigt werden, weil das Verfahren abgeschlossen und der Täter ermittelt ist. So beißt sich das Ganze in den Schwanz.
Weder Experimente noch Nachdenken noch Zeugenaussagen helfen hier also weiter. Die Erbsubstanz an der Leiche stammt von Herrn M., doch das räumt er auch ein. Er will sich mit seinem Schwager gut verstanden haben, andere sagen, dass er ihm »die Jacke vollhauen« wollte. Das Gericht meint, die beiden hätten sich seit Langem nicht gesehen, Herr M. gibt an, dass er durch die Scheune jederzeit zu seinem Schwager gelangen konnte und ihm auch täglich die ausgelesene Zeitung gebracht hat. Die Zange stammt aus Herrn M.s Bastelecke, könnte dort aber auch von anderen Personen benutzt worden sein, da sie leicht zugänglich war. Die Kabelbinder stammen aus der alten Firma von Herrn M., der aber ist überzeugt, dass die damalige Lieferung so alt und brüchig sein müsste, dass sie zerbröselt wäre. Und so geht es hin und her.
Doch wie steht es mit Hinweisen aus einer ganz anderen Wissenschaft, der Psychologie? Denn der Bekannte des Verurteilten, der den Fallbericht aufgeschrieben hat, spricht ja von traumabedingtem Verhalten beim Verurteilten. Gibt es so etwas? Und hilft es, den Fall zu lösen?
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Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit
Viele verurteilte Straftäter sagen nicht nur, dass sie zu Unrecht im Gefängnis gelandet sind, sondern sie glauben auch fest daran. Entweder wollen sie die ihnen vorgeworfene Tat nicht begangen haben, oder sie haben eine Erklärung dafür, warum das, was passiert ist, »eigentlich« nicht ihre Schuld war. In wenigen Fällen stimmt das alles, und der Häftling ist wirklich unschuldig. Viel öfter zeigen aber Straftäter mit einer antisozialen Persönlichkeitsstörung dieses Verhalten (vgl. auch »Die Sprache antisozialer Verbrecher«, S. 131 f.). Weil solche Straftäter im tiefsten Inneren das Gefühl haben, Opfer der Umstände geworden zu sein und ihre Strafe nicht zu verdienen, können sie das auch sehr überzeugend anderen Menschen gegenüber vertreten. Besonders Seelsorger, die ihren Job machen, weil sie an das Gute im Menschen glauben, können oft nicht fassen, dass Menschen sich derartig dreist rausreden oder schlicht lügen.
Erinnerungslücken
Grundsätzlich ist es für psychologische und psychiatrische Gutachter schwierig zu beurteilen, was dahintersteckt, wenn ein Tatverdächtiger behauptet, sich an Zeitabschnitte vor, während oder nach einer Straftat nicht zu erinnern. Es gibt keine sichere Vorgehensweise, mit der sich überprüfen lässt, ob Erinnerungslücken wirklich bestehen oder ob eine Person diese nur vorgibt.
Der Gutachter baut die berichtete Erinnerungslücke in alle anderen Informationen ein, die er von dem Befragten bekommt, und entscheidet dann, ob er die ganze Geschichte für glaubhaft hält oder nicht. Dabei erfragt er beispielsweise, ob der (vermeintlicheoder sichere) Täter kurz vor der Tat Drogen oder Alkohol zu sich genommen hat, ob er vorher schon straffällig geworden ist, ob er irgendwann wegen psychischer Probleme behandelt wurde und vieles mehr.
Es gibt Merkmale, anhand derer Psychologen und Psychiater mit einer rechtspsychologischen Zusatzausbildung einschätzen, wie glaubwürdig ihnen eine Person erscheint und wie glaubhaft ihre Aussage ist. Diese beiden Dinge können miteinander übereinstimmen, müssen das aber nicht. Es kann beispielsweise sein, dass eine vorbestrafte und drogensüchtige Person, die als eher unglaubwürdig eingestuft wird, völlig glaubhaft ein Verbrechen beschreibt, das sie gesehen hat. Andererseits kann eine zunächst glaubwürdig wirkende Person, die bis dahin ein unauffälliges Leben führte und als vorbildlich, ehrlich und aufrichtig galt, über eine Straftat, die sie vertuschen will, eine wenig glaubhafte Geschichte erzählen.
Woran erkennt ein Gutachter, ob jemand lügt?
Manchmal helfen Sachbeweise bei der Beurteilung einer Tat nicht weiter. Wie im Fall des Wettermoderators Jörg Kachelmann kann es sein, dass handfeste Spuren keine entscheidenden Erkenntnisse bringen. Wenn alle überprüfbaren Fakten unstrittig sind, dann verwendet das Gericht oft die Aussage des Glaubhaftigkeitsgutachters. Im Kachelmann-Fall ist es genau so. Dass die beiden
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