Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
selbst glaubte –, für »die Menschheit« langfristig damit etwas »Gutes« zu tun. Hierin ähnelt er besonders den bekannten Fällen von Serienmördern in Krankenhäusern und Pflegeheimen, die sich oft selbst einreden, sie würden die Menschen von ihrem Leid befreien, also »eigentlich« etwas Gutes tun, obwohl auch sie nur ihre Unzulänglichkeit und Minderwertigkeitsgefühle mit dem Gefühl, Macht zu haben über Leben und Tod, übertünchen wollen.
Dennoch, Hitler schreckte offensichtlich davor zurück, Menschen persönlich zu töten – hier liegt der entscheidendeUnterschied zwischen ihm und allen bekannten Serienmördern. Er war darin sogar derartig feige, dass er Befehle zur Judenvernichtung nicht einmal schriftlich, sondern nur mündlich gab. Und mit der Art, wie sie getötet wurden, wollte er sich schon gar nicht beschäftigen. Mit der von den Nazis als »Endlösung« bezeichneten Vernichtung der europäischen Juden beauftragte er seine Untergebenen, sie sollten den Holocaust organisieren und durchführen. Der Massenmord, den Hitler in die Wege leitete, verlief für ihn nicht direkt sichtbar. Er zeigte, zumindest soweit bekannt, kein Interesse daran, sich Konzentrationslager anzusehen. Für ihn waren die Juden keine Menschen, und das machte es ihm leicht, deren Ermordung ganz sachlich und gefühllos als »Projekt« zu betrachten, das seine Untergebenen selbstständig durchführen konnten. Diese Haltung verdeutlicht ein Brief, den er bereits 1920 geschrieben hat: »Sowenig ich einer Tuberkelbazille einen Vorwurf machen kann einer Tätigkeit wegen, die für den Menschen Zerstörung bedeutet, für sie aber Leben heißt, so sehr bin ich aber auch gezwungen und berechtigt, um meiner persönlichen Existenz willen den Kampf gegen die Tuberkulose zu führen durch Vernichtung ihrer Erreger. Der Jude aber wird und wurde durch Jahrtausende hindurch in seinem Wirken zur Rassetuberkulose der Völker. Ihn bekämpfen heißt ihn entfernen.« Hitler sprach bewusst nicht von Tötung, sondern benutzte Worte wie »entfernen«, »vernichten«, »ausrotten«. Solange er die Menschen, deren Ermordung er anordnete, als gefährliche, aber eben nicht menschliche Lebewesen ansah, brauchte er sich selber nicht als Mörder oder Mord-Auftraggeber zu betrachten.
Hitler war eigentlich ein völlig unsicherer Außenseiter, der sich die Ungerechtigkeit und das Elend auf der Welt selbst erklären wollte – und das tat er mit sehr schlichten Mitteln. Schon in seiner Jugend ließ er sich leicht von Ideen begeistern, die einfache Lösungen für alle gesellschaftlichen Probleme versprachen. So zog er auch begeistert als Soldat in den Ersten Weltkrieg. Feinde, denen er die Schuld für gesellschaftliche Missstände und für sein eigenes bis dahin eher freudloses Leben in die Schuhe schiebenkonnte, hatte er schon immer gesucht. Daher war es für ihn naheliegend, die damals in Europa ohnehin weit verbreitete Judenfeindlichkeit für sich zu nutzen.
Schließlich eiferte der bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr erfolglose, kleine Österreicher stets mächtigen Vorbildern wie Mussolini oder Napoleon nach. Von solch großen Schwätzern der Geschichte schaute er sich wahrscheinlich ab, wie er mit inhaltlich zwar wenig beeindruckenden, dafür aber umso gefühlsbetonteren Reden und einem imposanten Auftreten die Menschen begeistern und um sich scharen konnte.
Egal ob Politiker oder Religionsführer: Wenn eine Person zum mächtigen Führer werden will, dann hat sich seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte immer wieder die Vorgehensweise bewährt, unzufriedenen Mitmenschen einfache Lösungen für ihre Probleme anzubieten – wie dumm diese auch waren. Die Idee, alle Probleme auf einen Sündenbock zu schieben, ist so alt wie die Menschheit selbst. Hitler war also keinesfalls besonders einfallsreich, was das anging.
Hitlers Hauptziel war die Errichtung einer Welt nach seinen Vorstellungen. Dabei war ihm die Vernichtung aller Menschen, die er als unnütz oder schädlich ansah, zwar völlig recht, aber persönlich waren ihm diese Menschen völlig egal. Die Triebkraft hinter allem, was er tat, war sehr wahrscheinlich nicht persönlicher Hass, sondern seine Gier nach unbegrenzter Macht und ewigem Ruhm sowie sein Glaube daran, dass eine Gruppe von Menschen für alle Probleme eines Landes verantwortlich sein kann.
Krank oder nicht krank?
Über Hitlers psychischen Zustand wurde von Psychiatern und Psychologen viel geschrieben. Sicher ist nur eins: Niemand
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