Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
sich Danielas Mutter freute. Im Haus des Ehepaars bereitete Daniela ein Getränk aus Wodka und Beruhigungsmitteln zu. Die Mutter und ihr Mann tranken es. Kurz darauf erstach Danielas Verlobter erst den Stiefvater, während Daniela diesen festhielt. Dann taten sie dasselbe auch mit der herbeigeeilten Mutter. Daniela stach ihrer Mutter noch in den Hals, bevor diese starb. Sie hinterließen die Wohnung so, dass es nach einem Einbruch aussah. Doch ein blutiger Fingerabdruck von Daniela blieb am Tatort zurück. Sie wurde wegen Mordes aus Habgier angeklagt. Der neue Mann ihrer Mutter war vermögend, seine Frau die Alleinerbin. Beim Ableben beider hätte Daniela alles erben sollen.
Ihre Anwältinnen bekamen drei Monate vor Prozessbeginn Post von Daniela. Ihre früheren Briefe waren sehr freundlich und höflich. Dieser Brief dagegen war aggressiv und enthielt Kraftausdrücke. Unterschrieben war er mit einem neuen Namen: Sabrina. Die Persönlichkeit »Sabrina« behauptete, die Morde begangen zuhaben. Daniela hätte dies nicht gewollt. Sabrina sei voller Hass auf die Mutter gewesen, hätte sich von ihr nie geliebt gefühlt. Sie behauptete auch, als Kind vergewaltigt worden zu sein, wovon die Mutter gewusst hätte.
Daniela behauptete, sie hätte ihr anderes »Ich« erst mit siebzehn oder achtzehn Jahren bemerkt. Sabrina hätte alles geregelt und sei stark und selbstbewusst gewesen. Ganz anders als die eher unsichere und zurückhaltende Daniela. Die beiden Anwältinnen glaubten ihrer Mandantin und versuchten vor Gericht zu beweisen, dass sie wegen einer gespaltenen Persönlichkeit schuldunfähig sei. Daniela hatte drei Jahre vor der Tat eine Psychotherapie angefangen. Dabei hatte die Therapeutin vermutet, sie könnte an einer dissoziativen Identitätsstörung leiden. Außerdem fand die Polizei in Danielas Wohnung ein Buch über eine Schizophrene, in dem mehrmals der Name »Sabrina« eingetragen war.
Ein Psychiater und ein Psychologe untersuchten Daniela und kamen zu dem Ergebnis, dass sie zwar auffällig fantasievoll sei, aber nicht aus zwei gespaltenen Persönlichkeiten bestehe. Einiges an ihrem Fall sprach gegen die von den Anwältinnen ins Feld geführte Störung. Daniela behauptete, nur eine weitere Persönlichkeit zu haben, die ihr selbst in vielen Dingen ähnelte. In den allermeisten Fällen von dissoziativer Identitätsstörung zeigen die Betroffenen aber eine ganze Reihe von sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten.
Die Erinnerungen von Daniela und Sabrina waren – bis auf die Tat – auffällig übereinstimmend. Daniela hatte im Gegensatz zu den meisten Menschen mit dieser Störung keine lange zurückgehende Geschichte von Erinnerungslücken. Es war auch ungewöhnlich, mit welcher Selbstverständlichkeit die »zwei Persönlichkeiten« alles übereinander wussten und sich als gegeben annahmen. In den meisten Fällen wird den Betroffenen erst während einer Therapie langsam bewusst, dass sie mehrere Personen in einem Körper sind.
Außerdem tauchte die »böse Sabrina« nur ein Mal während des Prozesses mit einem kurzen Wutausbruch auf, und zwar zum passenden Zeitpunkt, nämlich als Danielas Geschichte kaum jemandglaubte und ihr klar wurde, dass sie damit sehr wahrscheinlich nicht durchkommen würde. Das Gericht stimmte mit der Einschätzung der Gutachter überein und glaubte Danielas Geschichte von der gespaltenen Persönlichkeit nicht. Sie wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.
Bis heute sind sich Psychologen und Psychiater uneinig, wie sie mit Menschen, die behaupten, an einer dissoziativen Identitätsstörung zu leiden, umgehen sollen. Die Störung wurde in den Siebzigerjahren in den USA durch Bücher und Filme über Betroffene bekannt. Genau in dieser Zeit stellten immer mehr Psychologen und Psychiater – vor allem in den USA – diese Störung bei einigen ihrer Patienten fest. Die Fachleute stritten darüber, ob immer mehr Patienten mit anderen Störungen so taten, als hätten sie mehrere Persönlichkeiten in ihrem Körper, oder ob die Ärzte und Psychologen erst in dieser Zeit lernten, die Störung zu erkennen.
Selbst der bekannte US-amerikanische forensische Psychiater und Kriminologe Park Dietz sagte uns auf der Jahrestagung der Amerikanischen Akademie der forensischen Wissenschaften (American Academy of Forensic Sciences, AAFS) zu dem Thema, dass er so wenig an das Vorhandensein der dissoziativen Identitätsstörung glaube wie an Engel. An Engel glauben seiner Aussage nach auch die meisten seiner
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