Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
immer wieder versuchen, sich Gefährtinnen nach ihren Wunschfantasien mit Gewalt zu erschaffen. Ihre Taten sind nur das grausame Abbild ihrer Bedürfnisse, die sie gewissenlos und um jeden Preis verwirklichen.
Sexueller Sadismus
Menschen, die dadurch besonders sexuell erregt werden, anderen Menschen Schmerzen zuzufügen oder sie zu erniedrigen, werden von Fachleuten »sexuelle Sadisten« genannt. Mit dem Wort Sadist ist also – im Gegensatz zum umgangssprachlichen Gebrauch – nicht jemand gemeint, der besonders bösartig anderen Menschen gegenüber auftritt. Der gemeine Chef beispielsweise, welcher seinen Mitarbeitern zu viele Aufträge gibt und zu Wutanfällen neigt, wenn sie diese nicht bewältigen können, ist also kein Sadist – auch wenn die Mitarbeiter ihn womöglich so nennen.
Den »sexuellen Sadismus« sehen Fachleute unter bestimmten Voraussetzungen als »Störung der sexuellen Vorlieben« an. Heutzutage bekommt jemand die Diagnose »Sadismus«, wenn er seit mindestens sechs Monaten immer wieder stark sexuell erregende Vorstellungen und Wünsche hat oder regelmäßig sexuelle Handlungen durchführt, in denen er andere Menschen körperlich oder gefühlsmäßig leiden lässt, sie erniedrigt oder verängstigt. Beispiele für Verhaltensweisen sexueller Sadisten sind Beschimpfung, Bedrohung, Fesselung, Anspucken oder Anpinkeln bis hin zu allen Arten von Schmerzzufügen, mithilfe derer sie sich sexuell erregen wollen.
Dass ein Mensch mindestens sechs Monate solche Vorstellungen, Wünsche oder Verhaltensweisen zeigen muss, bevor er als sexueller Sadist eingeordnet wird, wurde von den Fachleuten festgelegt, damit beispielsweise vorübergehendes Herumexperimentieren mit neuen sexuellen Spielarten bei einer Person von einer dauerhaften sexuellen Neigung unterschieden werden kann. Solche Fantasien zu haben oder solche Dinge in das Sexualleben einzubinden, ist aber nicht grundsätzlich krankhaft. Als psychische Störung werden sadistische Neigungen nur dann verstanden, wenn der Betroffene deutlich unter seinen Bedürfnissen leidet oder diese mit Menschenauslebt, die das nicht wollen oder dem nicht zustimmen können – wie zum Beispiel Kinder –, aber auch, wenn er wegen seiner Neigung immer wieder Probleme mit anderen Menschen, in seinem Beruf oder anderen wichtigen Lebensbereichen hat.
Die eigenen sexuellen Fantasien sind oft deshalb in hohem Maße angst- und schambesetzt, weil die Furcht groß ist, die Familie und der Freundeskreis, vielleicht sogar der Beziehungspartner des sexuellen Sadisten, könnten ihn als krank, abartig und pervers abstempeln. Es gibt genug Fälle, in denen Betroffene sehr unangenehme Reaktionen ihrer Angehörigen erleben. Auch die Angst vor Problemen im Beruf, würde diese Neigung bekannt werden, ist angesichts der jetzigen gesellschaftlichen Haltung zu Sadomasochisten nicht unbegründet. Die Probleme der Betroffenen sind heute vergleichbar mit denen, die Homosexuelle noch vor wenigen Jahrzehnten in Deutschland hatten und die bis heute nicht völlig ausgeräumt sind.
Kranker Sex?
Über hundert Jahre lang, um genau zu sein, seit der Veröffentlichung des Buches Psychopathia sexualis durch den deutschen Psychiater Richard von Krafft-Ebing im Jahr 1886, wurden alle ungewöhnlichen sexuellen Fantasien als grundsätzlich krankhaft angesehen. Krafft-Ebing stellte viele Fallbeispiele von Menschen mit ungewöhnlichen sexuellen Vorlieben in seinem Buch vor und ordnete sie als Erster Störungsgruppen zu, denen er eigene Namen gab. So erfand er die Bezeichnungen »Sadismus« und »Masochismus«.
Den Begriff Sadismus lehnte er an den sehr exzentrischen Adligen Marquis de Sade an, der mit seinen extremen pornografischen Schriften die zu seiner Zeit herrschende Sexualmoral, die Kirche, die gesellschaftlichen Umstände im Allgemeinen und alles, was ihm nicht in den Kram passte, anprangerte – eingebettet in Obszönitäten und drastische Schilderungen von Orgien. Weil de Sade wie kein anderer vor ihm in zahlreichen Schriften Schmerzzufügung,Erniedrigung und Sex beschrieb, benannte Krafft-Ebing diese sexuelle Vorliebe nach ihm.
Namensgeber von »Masochismus« war der Schriftsteller Leopold Ritter von Sacher-Masoch. Der beschrieb in seinem Roman Venus im Pelz die unglückliche Liebe eines Mannes zu einer sadistischen Frau. Obwohl die Hauptfigur des Romans offensichtlich das ist, was sich Krafft-Ebing unter einem Masochisten vorstellte, war Leopold von Sacher-Masoch alles andere als begeistert
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