Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
die sie sympathisch finden, zu denen sie also eine gefühlsmäßige Bindung haben. In manchen Fällen ist diese Bindung Freundschaft, in anderen Liebe. Immer aber spielen dabei Achtung, Vertrauen und Respekt eine Rolle. Beide Seiten lassen sich gefühlsmäßig aufeinander ein.
Das Gegenteil ist bei kriminellen Sadisten der Fall: Gefühlsmäßige Nähe zu anderen Menschen können sie nur schlecht aushalten oder empfinden sie erst gar nicht. Sie wollen Macht, Kontrolle und Selbstbestätigung und fühlen ihrem Opfer gegenüber entweder nichts oder Verachtung und Hass. Ihr Opfer ist für sie nicht mehr als ein Mittel zur Bedürfnisbefriedigung.
Kriminelle, psychisch kranke Sadisten fühlen sich meist von Gewalt an sich angeregt. Oft finden sie gewalttätige Filme, Bilder oder Texte unterschiedlichster Art sexuell erregend. Es können beispielsweise Horror- oder Kriegsfilme sein, in denen Gewalt ohne irgendwelche sexuellen Darstellungen gezeigt wird. Ihnen kommt es auf die Brutalität, absolute Macht und Zerstörung an, die sie angenehm und anregend finden.
Im Gegensatz dazu finden harmlose Sadisten rohe Gewalt überhaupt nicht anregend. Das, was sie mit einem masochistischen Partner machen, läuft hauptsächlich im Kopf und Gefühl der Beteiligten ab und erfordert etwas, das kriminelle Sadisten geradenicht haben – nämlich Einfühlungsvermögen. Einen Masochisten zu erniedrigen und ihm Schmerzen zuzufügen, empfinden harmlose Sadisten vor allem deshalb als anregend, weil dadurch besondere Hingabe und Offenheit zwischen den Beteiligten zum Ausdruck kommt und beide etwas sehr Persönliches und Angenehmes miteinander erleben. Was einvernehmliche Sadomasochisten miteinander machen ist also das Gegenteil von Gewalt, auch wenn es von außen ähnlich aussieht.
Psychisch kranke Sadisten werden oft von ihren gewalttätigen Fantasien beherrscht. Sie können – wie auch Menschen, die beispielsweise nach Alkohol, Drogen oder Glücksspiel süchtig sind – den Drang, ihre Fantasie auszuleben, auf Dauer nicht unterdrücken. Ein gutes Beispiel dafür ist der Serienmörder Jack Unterweger (siehe S. 120 ff.). Dieser war so sehr von seiner sadistischen Fantasie getrieben, dass er eine sehr auffällige Reihe von immer gleichen Morden in kürzester Zeit und immer in seiner unmittelbaren Nähe beging. Die Grenze zwischen Fantasie und Wirklichkeit verschwimmt bei diesen Tätern, ihre Gedanken kreisen immer stärker um Möglichkeiten, ihre Fantasien auszuleben, egal wie riskant das für sie selbst auch ist.
Psychisch gesunde Sadisten leben ihre sexuelle Neigung – wie andere Menschen auch – als einen Teil ihres Gesamtlebens aus. Dabei haben sie aber auch andere Interessen und Aktivitäten, die ihnen Spaß machen. Ihre Sexualität ist kein Zwang für sie, sondern ein angenehmer Bestandteil von vielen, die in ihrem Leben wichtig sind.
Ihnen ist die Grenze zwischen Fantasie und Wirklichkeit völlig klar (siehe Gewaltpornografie, S. 240 ff.). Deshalb achten sie beim Ausleben ihrer Neigung auch darauf, dass es ihrem Gegenüber bei allem, was sie tun, gut geht. Was sie tun ist also vernünftig und kontrolliert. Das genaue Gegenteil von dem, was kriminelle Sadisten wollen und tun.
Sadistische Straftaten
Es gibt allerdings auch den krankhaften und gefährlichen sexuellen Sadismus, der im Bereich der forensischen Psychologie und Psychiatrie eine große Rolle spielt. Im Gegensatz zur durch Fernsehen und Zeitungsberichte weit verbreiteten Meinung sind nämlich bei Weitem nicht alle oder auch nur die meisten Sexualverbrechen sadistisch motiviert. Auch andere Verbrecher, die mit sehr viel Gewalt vorgehen, wie beispielsweise bei sehr brutalen Raubüberfällen, sind oft nicht von Sadismus im sexuellen Sinne getrieben.
Überschriften in Boulevardmedien wie »Sadistischer Vergewaltiger schlägt wieder zu« verstärken die Missverständnisse darüber, was Sadismus eigentlich ist. Auch in Fachkreisen wird der Befund »sexueller Sadismus« bei Straftätern heftig diskutiert. Gutachter stellen nämlich immer öfter fest, dass von ihnen begutachtete Sexualstraftäter Sadisten seien. Das liegt aber nicht daran, dass es immer mehr straffällige Sadisten gibt, sondern daran, dass sich die Fachleute noch nicht ganz einig darüber sind, welche Merkmale genau ein Täter erfüllen muss, um als Sadist eingestuft zu werden. So heißt es, unter Sexualstraftätern hätten zwischen fünf Prozent und achtzig Prozent eine sadistische Sexualvorliebe. Je nachdem,
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