Aus der Spur
kräftiger Mann gewesen war. Am Faltenwurf des Wohnzimmervorlegers konnte Chang sehen, dass der Mörder sein Opfer hinter sich hergezogen hatte, anstatt es zu tragen. Er folgte den Blutspuren zur Treppe, die in das Obergeschoss führte.
» Dir ist die Luft ausgegangen, wie? Stiles war schwerer, als du dachtest. Wolltest du zur Badewanne? « , fragte Nelson das leere Haus. Eine klebrige Blutlache auf dem Boden verriet ihnen, dass der Mörder die Leiche zum Keller geschleppt hatte.
Jemand rüttelte an der Haustürklinke, und Chang und Nelson fuhren beide zusammen.
» Geh nach unten. Ich werd’ uns ein paar Minuten rausschinden « , sagte Chang.
***
Noch bevor er das Gemetzel im Keller erblickte, hatte Chang schon den typischen Kupfergeruch von Blut in der Nase.
Nelson stand über der Leiche. » Was war los? «
» Eine Neue von der Spurensicherung wollte sich den Tatort ansehen und hat vergessen, nachzufragen, ob ich schon fertig bin. Ich hätte der Kleinen fast den Kopf abgerissen. Ich entschuldige mich später bei ihr. « Chang zuckte zusammen, als ihm seine unglückliche Wortwahl bewusst wurde. Er tat sein Bestes, um sich nicht von dem Grauen überwältigen zu lassen, das die kopflose Leiche in ihm auslöste. Der Tote wäre mit dem Gesicht nach unten dagelegen, hätte er noch ein Gesicht gehabt, und um den Stumpf seines Halses hatte sich eine riesige Blutlache gebildet. Kleine Fleischstückchen klebten an einer Bogensäge, die neben der Leiche lag; sie ließen wenig Zweifel an der Methode der Enthauptung. Chang fielen die vielen Holzsägen an der Wand auf. Er vermutete, dass der Mörder improvisiert hatte, genau wie bei den Hubberts. Da spürte er Nelsons Blick auf sich ruhen.
» Was ist? «
Nelson deutete mit dem Finger nach unten. » Die Sache wird persönlich. «
Chang folgte Nelsons Blick. Dort, wo der Kopf vom Hals abgetrennt worden war, steckte ein blutdurchtränkter Tennisball. Chang überprüfte den Sitz seiner Handschuhe und zog an der durchweichten Filzkugel. Erst rutschten seine Finger ab, aber dann löste sich der Ball mit einem saugenden Geräusch. Chang hielt das Ding hoch. Jemand hatte mit silberner Farbe einen Smiley auf den Ball gemalt und daneben die Worte ›Have a nice day!‹ gekritzelt.
» Sieh dir diese auffällige Farbe an. Er wollte sichergehen, dass du das siehst. «
» Hebt sich gut vom Blut ab « , kommentierte Chang und holte einmal tief Luft. Der Tennisball fühlte sich kalt und schwer in seinen Händen an. Er legte ihn neben den kopflosen Hals.
» Warum das? Warum jetzt? « , fragte Nelson und begann, sich vor und zurück zu wiegen.
Chang wollte nicht zulassen, dass die Vielzahl von Erinnerungen, die in ihm aufstiegen, seine Gedankengänge störten. Doch die Totengesichter der Vergangenheit buhlten mit denen der jüngsten Opfer um seine Aufmerksamkeit. Plötzlich gesellte sich seine Mülltonne zu dem Reigen. Einem Instinkt folgend, versuchte er, die Gesichter in die Tonne zu stopfen, um sie loszuwerden, genau wie bei der Teakholzbox. Zuerst Topper… Ein stechender Schmerz flammte hinter seinen Schläfen auf und sagte ihm unmissverständlich, dass die Mülltonne nicht dasselbe war wie die Teakholzbox. Die Gesichter gehörten nicht in die Tonne, sondern irgendwie dazu. Vor Changs innerem Auge tauchte sein ruinierter Bonsai auf. Hatte der Typ, der in seinem Müll gewühlt hatte, etwas mit der Sache zu tun?
Chang spürte, wie der schuppige Leib des Drachen gegen die Käfigstäbe rieb. Spionierte der Mörder ihm etwa nach? » Na, dann komm! « , donnerte die Stimme des Drachen durch den Keller. Chang versuchte, sich das maskierte Gesicht des Schnüfflers ins Gedächtnis zu rufen. Er griff nach dem Tennisball, um ihn in seiner Faust zu zerquetschen, und roter Nebel verschleierte seinen Blick.
» Das ist ein Beweisstück! « Nelsons Stimme durchdrang den Nebel wie ein Pfeil. Chang hielt inne und sah, dass sein Partner vor ihm zurückgewichen war.
» Ich glaube, Flannigan hat dem Mörder von mir erzählt. Der kämpft ohne Bandagen. Jemand hat meinen Müll durchwühlt… « Chang tat drei tiefe Atemzüge. Der Drache rollte sich wieder in sich zusammen.
Chang zwang seinen Blick zurück zur Leiche und suchte nach weiteren persönlichen Botschaften. Er entdeckte eine weitere Ansammlung von Blutspritzern, und das holte ihn endgültig zurück ins Hier und Jetzt. Die Blutstropfen warenvon der Größe einer Zehn-Cent-Münze und befanden sich ein paar Schritte von der Leiche
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