Aus der Tiefe: Odyssey 2 (German Edition)
galt nach Lehrmeinung der terrestrischen Wissenschaft als unvertretbar.
So betrug die Masse der Odyssey bei voller CM-Unterstützung immer noch knapp zweiundzwanzig Prozent der Gesamtmasse. Das verlieh ihr annehmbare Beschleunigungswerte und eine beachtliche Endgeschwindigkeit, auch wenn das große Schiff natürlich nicht solche wendigen Manöver durchführen konnte wie seine kleineren Brüder.
Also behielt das Schiff nach Zündung der Schubtriebwerke noch für eine Weile den ursprünglichen Kurs bei, bis die Geschwindigkeit dann so hoch war, dass die Leistungskurve das Trägheitsmoment überwog.
Dann stürzte die Odyssey sich auf den angeschlagenen Drasin-Kreuzer. Das Waffenpersonal richtete die Waffen präzise aus und wartete auf den Befehl, die sprichwörtlichen Höllenhunde von der Leine zu lassen.
Priminae-Schiff Heralc
Ranqil-System
»Feuer!«
Als der Befehl auf der Brücke ertönte, wirkte er angesichts der Anspannung, unter der alle standen, wie ein Peitschenhieb und verstärkte sie noch weiter.
Kierna sah, wie Ithan Serra einen Finger in die projizierte Schnittstelle steckte, die aus Photonen und materialisierten Bestandteilen der Umgebungsluft bestand. Zufrieden spürte sie das Vibrieren, mit dem das Schiff ihren Befehl bestätigte.
Das Abfeuern der vorderen Laserbänke war nicht besonders spektakulär: Die tödlichen Kristalle gaben nicht den geringsten Laut von sich, als sie durch die Energie aktiviert wurden, die direkt von der Reaktionsmasse der Brennelemente des Schiffs abgezweigt wurde. Kierna wusste, dass sich das außerhalb des Schiffs kaum bemerkbar machen würde – höchstens als kleiner Lichtblitz, der von der Hülle der Heralc reflektiert wurde, und vielleicht noch einmal in einem ähnlichen Blitz, der für das feindliche Schiff ein Zehntel eines Millizyklus zu sehen wäre, bevor der Laser es traf.
Auf der Projektion wirkte die Szene etwas dramatischer. Der Pfad eines Laserstrahls wurde in Echtzeit in der dreidimensionalen Darstellung der Kampfzone abgebildet. Dabei kroch der Strahl wegen der komprimierten Projektion aber so langsam dahin, dass Kierna ihn am liebsten angeschrien hätte, um ihm Beine zu machen – als ob er damit etwas an der Geschwindigkeit des Lichts und der elementaren Struktur des Universums geändert hätte.
Serra blickte auf und sah zu ihrem Kapitän hinüber. »Abgefeuert, Capitaine. Der Strahl wird in neunzehn Zehnteln auf das Ziel treffen.«
Kierna nickte. »Vielen Dank, Ithan.«
Serra nickte und drehte sich wieder zu ihrer Station um, während Capitaine Senthe seine Aufmerksamkeit auf die zwei Brennelemente und ihre Gesamtmasse konzentrierte.
Die Daten stimmten ihn nicht sehr zuversichtlich. Der Leistungsabfluss überschritt ihre Kapazität, und die Gesamtmasse beider Reaktoren hatte bereits zwei Drittel der Standard-Gravitation unterschritten.
Er glaubte den Unterschied schon förmlich zu spüren; obwohl er natürlich wusste, dass sich das erst dann bemerkbar machen würde, wenn das Energieniveau auf etwa eine halbe Standard-Gravitation abgefallen war. Und dann würde die Heralc im Raum zu taumeln beginnen wie ein waidwundes Tier – unfähig zu manövrieren, anzugreifen oder auszuweichen. Wenn das geschah, waren sie schon so gut wie tot.
NACS Odyssey
Ranqil-System
»Feuern, wenn Sie bereit sind, Mr. Waters«, sagte Eric Weston ruhig und nahm einen Schluck Kaffee aus der Tasse, die der Ordonnanzoffizier ihm gebracht hatte.
Er und der Rest der Brückenbesatzung hatten in der Zwischenzeit die Raumanzüge angelegt, doch noch hatte niemand von ihnen die Helme verriegelt und die Handschuhe angezogen. Beide Maßnahmen hätten sie nur in der Kontrolle über die Systeme des Schiffs eingeschränkt.
Im Weltraum hatte man manchmal viel Zeit, selbst in der Hitze des Gefechts. Man hatte Zeit nachzudenken, Zeit, in Panik zu geraten und sogar Zeit zu sterben – alles, bevor die Waffen des Feindes die eigene Position erreicht hatten. Doch wie bei jedem anderen Kampf gab es auch hier manchmal Sekunden schierer Panik.
In diesen Sekunden war Zeit alles, was zählte, und plötzlich hatte man nicht mehr genug davon. Die Brückenbesatzung trug also vorschriftsmäßig ihre Raumanzüge, hatte jedoch die Hände frei und blieb hoch konzentriert, um in diesen paar seltenen Sekunden, die man manchmal ertragen musste, besser reagieren zu können.
Falls ein Treffer so dicht an der Brücke einschlug, um einen explosiven Druckabfall herbeizuführen, wären sie wohl sowieso
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