Aus Eifersucht kann Liebe werden: Die Heilung eines ungeliebten Gefühls
Sexualität nicht verdrängt wurde, sondern zum Alltag gehörte. Die Kinder würden lange gestillt, sie würden sehr viel Fürsorge und Zuwendung erfahren, es gäbe keine Trieb- und Leibfeindlichkeit. Es gab Häuser, in denen die Jugendlichen die Sexualität spielerisch ausprobieren konnten. So seien die Trobriander ein glückliches, lebensfrohes und friedliches Volk, das keine Gewalt, keinen Krieg kennen würde.Eifersucht würde bei den Trobriandern kaum eine Rolle spielen. Zu einer ähnlichen Auffassung kam schließlich die amerikanische Anthropologin Margret Mead. Sie war überzeugt, dass viele sexuelle Rollen eher das Ergebnis kultureller Prozesse seien. Auf der pazifischen Insel Samoa beobachtete sie sechs Monate lang 67 Mädchen und kam zu dem Ergebnis, dass es dort eine sehr entspannte, glückliche Sexualität gab. Auf diese Forschungen berief sich die Studentenbewegung, man war nun überzeugt, dass die Eifersucht anerzogen und nicht angeboren sei. Wir seien eben emotionale Krüppel und könnten nicht richtig lieben. Und man erwähnte gern die Großzügigkeit der Eskimos, wo dem Gast die eigene Ehefrau angeboten wurde. Offenbar muss das Verhältnis der Geschlechter nicht so sein wie bei uns. Diese Einschätzung führte nun zu einer grundlegenden Skepsis gegenüber der Eifersucht, die man als störend empfand, weil sie die sexuelle Freizügigkeit behinderte. Man hatte einfach eine falsche Einstellung zu den Seitensprüngen des Partners, war zu engstirnig, dachte nur an sich. Das lag dann immer am fehlenden Selbstwertgefühl und den zu starken Verlustängsten.
Doch bereits in den achtziger Jahren gab es kritische Stimmen. Sie vermuteten, dass bei diesen Feldforschungen unsere Erwartungen einer heilen Welt zu großen Einfluss gehabt hätten. So erschien 1983 ein Buch von Derek Freeman, der vor allem Margaret Mead vorwarf, sie sei der Illusion eines Südsee-Idylls erlegen. Er lebte selbst mehrere Jahre auf Samoa und fand erheblich mehr Konflikte. Er war der Meinung, dass Mead von den einheimischen Informanten nicht die Wahrheit erfuhr, da sie eine Fremde war, die zudem die Sprache nicht beherrschte. Man habe ihr erzählt, was sie hören wollte. So blendete sie die gewalttätige Seite der samoanischen Gesellschaft konsequent aus. Eifersuchtsgefühle nahm sie nicht wahr.
Die neue Eifersucht
Inzwischen gibt es seit zehn Jahren eine neue Bewertung der Treue. Sie wird wieder als wichtig und notwendig empfunden. Damit steigt auch die Bereitschaft, sich zur Eifersucht zu bekennen. Im Laufe von fünf Jahren hat sich die Zahl der Patienten verdoppelt, die wegen Eifersuchtsproblemen zu mir kommen. Und in den letzten drei Jahren hat sich die Zahl der Presseanfragen, Rundfunk- und Fernsehanfragen ebenso verdoppelt. Mein Buch »Das Geheimnis der Treue« ist auf ein ungewöhnliches Echo gestoßen. Treue ist offenbar wieder ein Wert geworden, denn wir suchen eine verlässliche Partnerschaft. In einer Welt, die immer anonymer und unberechenbarer wird, suchen wir Schutz und Sicherheit in einer Liebesbeziehung. Insofern wird Treue für uns immer wichtiger. Denn jede Liebe tendiert immer zur Ausschließlichkeit. Und zu Recht meinte deshalb der Psychoanalytiker Max Marcuse: »Wen wir lieben, den wollen wir auch besitzen.« Mancher wird dies zwar für neurotisch halten und für Besitzdenken, aber ich halte dies für den Ausdruck einer starken Liebe. Was wir lieben, wollen wir behalten und bewahren. Und wir wollen in der Liebe einzigartig sein.
Etwas Besonderes sein
Wir leben in einer Kulturwelt, in der wir das Bewusstsein haben, etwas Besonderes zu sein. Wir sind herausgetreten aus dem Kollektiv – wir sind Persönlichkeiten! Und dazu gehört, dass ich meine eigene Individualität spüre. Man müsse den Unterschied zu anderen Menschen erkennen, heißt es bei Ludwig Feuerbach. Und genau dies erwarten wir in der Liebe. Dort wollen wir spüren, wie unverwechselbar wir sind. Doch wenn der Ehemann mit einer anderen Frau flirtet, sie umgarnt, mit ihr schläft, dann bin ich in einem ganz wesentlichen Teil des Lebens austauschbar. Deshalb ist die Eifersucht so verständlich, so normal, so wichtig.
Zwei Dinge sollen Kinder
von ihren Eltern bekommen:
Wurzeln und Flügel.«
J. W. von Goethe
Kindheit und Eifersucht
Die Überwindung der massiven Eifersucht ist nur möglich, wenn wir stärker und selbstbewusster werden. Und wir müssen zu uns selbst finden. Gewissermaßen müssen wir zum Mittelpunkt unseres eigenen Lebens werden. Und das
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