Aus heiterem Himmel: Ein Südstaaten-Krimi von TrueBlood-Autorin Charlaine Harris (Aurora Teagarden) (German Edition)
unelegant, kam meine Ablösung. Die Aushilfe, die Sam für die Kinderabteilung hatte einstellen können, hieß Beverly Rillington und war eine schwer gebaute Frau mit einer Haut, die an die Schale von Pekannüssen erinnerte. Sie konnte kaum älter als einundzwanzig sein. Beverly und mir fiel es schwer, miteinander auszukommen. Ob das an der Rasse, am Alter oder an eklatanten Unterschieden im Einkommensniveau lag, hätte ich nicht sagen können, aber unser Verhältnis war wirklich nicht das beste. Sam hatte mich vorgewarnt, denn auch meine Vorgängerin war mit dieser Aushilfe nicht klargekommen, aber Sam hatte sie im Rahmen eines subventionierten Ausbildungsprogramms einstellen können. Da sie im Grunde effizient und zuverlässig arbeitete, hatte er nicht vor, sie wieder zu feuern.
„Wie läuft es heute?“ Beverly hatte sich vor mir aufgebaut und sah auf mich herunter, als interessierte sie meine Antwort auf ihre Frage eigentlich gar nicht.
Wieder einmal war ich versucht, das Eis zwischen uns zu brechen, und erzählte ihr von der Vorlesestunde und Irenes beunruhigender Antwort auf meine so harmlos gemeinte Frage.
Sie musterte mich verächtlich. Ihrer Meinung nach hätte ich wohl bei einer solchen Frage von Anfang an damit rechnen müssen, mehr zu erfahren, als ich wissen wollte. Mich machte Beverly nervös, weil ich ständig Angst hatte, ihr auf eine ihrer zahlreichen empfindlichen Zehen zu treten. Umgekehrt schien für sie meine bloße Anwesenheit ein rotes Tuch zu sein. Wer ich war und was ich war, schien ihr nicht zu gefallen. Beverly erzählte nie irgendetwas aus ihrem Privatleben und reagierte auch nicht, wenn ich mal die eine oder andere Geschichte aus meinem zum Besten gab. Zu dieser Kollegin einen Draht aufzubauen war eins der Projekte, an denen ich in diesem Jahr arbeiten wollte.
Martins Reaktion auf diesen hehren Plan war reines Unverständnis gewesen. „Ich will verdammt sein, wenn ich kapiere, warum du das machen willst.“
Ich stellte mir unwillkürlich dieselbe Frage, als ich Beverly auf Wiedersehen sagte, und machte mich fertig, um nach Hause zu fahren, wo ich meinen Mann verabschieden und mich von Mr. Dryden befragen lassen sollte.
Letztendlich jedoch war die Antwort relativ einfach. Beverly kam gut mit Kindern zurecht, und zwar unterschiedslos mit allen, ein Talent, das mir der Herrgott bei der Zusammenstellung meiner Gene verwehrt hat. Sie kam nie zu spät und beendete gewissenhaft und mit Liebe zum Detail jede angefangene Arbeit. Noch dazu kam, oh wundervolle Fügung: Lilian Schmidt fürchtete Beverly so sehr, dass sie die Kinderabteilung mied wie die Pest, wenn die Aushilfe Dienst hatte. Im Grunde schuldete ich Beverly in vielerlei Hinsicht Dank und war von daher fest entschlossen, ein gewisses Maß an Schroffheit klaglos zu ertragen.
Kapitel 3
Ich hatte vergessen, dass Martin direkt von der Arbeit aus zum Flughafen fahren wollte. Den Mercedes wollte er auf dem Firmenparkplatz stehen lassen und ihn dort wieder abholen, wenn er in drei Tagen zurückkam. Die höheren Etagen von Pan-Am Agra hatten eines von diesen Ereignissen organisiert, die Martin aus tiefstem Herzen zuwider waren: ein Seminar über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und wie man sie erkennt beziehungsweise verhindert. Sämtliche Firmenleiter waren zu diesem Seminar nach Chicago befohlen worden, und da Martin in diesem Kreis keinen besonderen Freund hatte und Treffen hasste, bei denen er nicht den Vorsitz führte, folgte er der Anordnung nur zähneknirschend.
Als er mich anrief, um Bescheid zu sagen, dass er jetzt zum Flughafen aufbrechen würde, schärfte er mir mehrmals eindringlich ein, auch ja abends vor dem Zubettgehen die Alarmanlage des Hauses einzuschalten. „Wie geht es Angel?“, wollte er zum Schluss noch wissen. „Shelby meinte, sie fühle sich in letzter Zeit nicht gut.“
„Darüber reden wir, wenn du wieder hier bist“, sagte ich vorsichtig. „Mach dir keine Sorgen, sie kommt schon wieder in Ordnung.“
„Was ist mit ihr, Roe? Sag es mir. Geht es ihr gut genug, wird sie dir im Notfall zur Seite stehen können?“
Unter Garantie war ich die einzige Bibliothekarin in Lawrenceton und höchstwahrscheinlich sogar im gesamten Bundesstaat Georgia, wenn nicht sogar in ganz Amerika, die über eine eigene Leibwächterin verfügte. Ich dachte daran, wie benommen und verängstigt Angel an diesem Morgen in der Arztpraxis gehockt hatte, und versuchte mir vorzustellen, dass ich diese Frau zu Hilfe rief.
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