Aus heiterem Himmel: Ein Südstaaten-Krimi von TrueBlood-Autorin Charlaine Harris (Aurora Teagarden) (German Edition)
und Shelby und das Baby.
Am Abend bekam ich wieder einmal einen dieser ärgerlichen Telefonanrufe, bei denen sich niemand meldete. Ich hatte in letzter Zeit einige davon erhalten und ärgerte mich jedes Mal sehr darüber. Wenn man sich verwählt und einem das klar wird, sobald sich am anderen Ende eine unbekannte Stimme meldet, dann kann man doch wenigstens etwas sagen. „Tut mir leid, ich habe mich verwählt“, zum Beispiel. Oder auch: „Entschuldigen Sie die Störung.“ Beim nächsten Klingeln ging ich gar nicht erst dran, sondern überließ das dem Anrufbeantworter. Natürlich war jetzt ausgerechnet Martin am Apparat. Ich sagte ihm nichts von Anrufern, die immer gleich wieder einhängten, er hätte sich sonst nur unnötig Sorgen gemacht. Sollte er ruhig glauben, ich sei zu weit vom Telefon entfernt gewesen, um drangehen zu können, ehe die Maschine ansprang. Denn wenn Martin um mich besorgt war, rief er womöglich noch die Youngbloods an und brachte die ebenfalls so weit, dass sie sich Sorgen machten.
Auch die Sache mit den geheimnisvollen Blumen verschwieg ich lieber, ebenso Angels Schwangerschaft.
Von meinem Gespräch mit Dryden dagegen berichtete ich ausführlich. Aus meinem Bericht wurde schnell klar, dass Dryden allein gekommen war. Martin ließ durchblicken, wie sehr ihm das missfiel, ohne mit einer einzigen Silbe anzudeuten, wie recht er gehabt hatte, als er auf Angels Anwesenheit bestand. Wenn mein Mann recht hatte, gab er nie damit an, das war eins der Dinge, die ich so an ihm liebte. In seiner Stimme lag jetzt etwas Stählernes, eine gewisse Härte, die ich selten zu hören bekam. Vielleicht war das der Ton, den er tagtäglich auf der Arbeit anschlug. Vielleicht schlich sich diese Härte aber auch nur dann in seine Stimme, wenn er irgendeine Bedrohung der eigenen Sicherheit oder der geliebter Menschen witterte.
Konnte ich ihn etwa der Paranoia bezichtigen, ihm vorwerfen, er sei übervorsichtig? Wohl kaum. Schließlich las und hörte man jeden Tag die fürchterlichsten Dinge. Noch dazu hatte Martin in Vietnam und später in Mittelamerika genügend Gefahren und Bedrohungen erleben müssen, er hatte Schreckliches durchgemacht. Zu glauben, Ähnliches könnte mir nie widerfahren, wäre egoistisch und schwachsinnig gewesen.
Aus dem weit entfernten Chicago, dieser großen Stadt, in der ich noch nie gewesen war, ermahnte mich Martin, meinen gesunden Menschenverstand zu benutzen und um Himmels willen die Alarmanlage einzuschalten.
Kapitel 4
Madeleine war mitten in der Nacht zu mir aufs Bett gesprungen, jedenfalls lag sie zu einem großen, goldenen Ball zusammengerollt dort, als ich aufwachte. Sie war jetzt eine ältere Katze. Als ich sie vor drei Jahren nach dem Tod ihrer ersten Besitzerin, Jane Engle, geerbt hatte, war sie mindestens sechs gewesen. Nach wie vor fing Madeleine die eine oder andere Maus oder einen Vogel, aber manchmal landete sie beim entscheidenden Sprung auf die Beute auch daneben. Außerdem kam es mir so vor, als seien die Haare auf ihrem Gesicht weißer geworden. Der Tierarzt stellte ihr trotzdem jedes Jahr bei der Routineuntersuchung ein hervorragendes Zeugnis aus. Da jeder in seiner Praxis, einschließlich des guten Doktors selbst, liebend gern einen Grund gehabt hätte, Madeleine einzuschläfern, musste ich diese Zeugnisse wohl ernst nehmen. Meine Katze war älter geworden, aber immer noch putzmunter.
Ich kraulte sie hinter den Ohren, was ihr ein leicht eingerostetes Schnurren entlockte. Martin hasste es, wenn Madeleine auf unser Bett hüpfte, sie durfte nur hier sein, wenn er es nicht war. Vor seiner Rückkehr saugte ich die Tagesdecke dann gründlich ab oder wusch sie sogar. Meine Finger wanderten an Madeleines Hals hinunter und trafen auf etwas Unerwartetes.
Ich setzte mich auf und sah mir meine Katze zum ersten Mal an diesem Morgen richtig an. Sie trug ein braunes Lederhalsband mit der Plakette der letzten Tollwutimpfung sowie dem Anhänger mit ihrem Namen und ihrer Adresse daran. Zusätzlich dazu hatte ihr jemand noch etwas anderes um den Hals gebunden. Eine Schleife. Ein sehr frisch und sauber wirkendes Satinband, das zu einer präzisen, flotten Schleife gebunden worden war.
Krampfhaft versuchte ich, mir irgendeine vernünftige Erklärung für diesen Schmuck einfallen zu lassen. Rosa Schleifchen waren niedlich, warum jagte mir diese hier solche Angst ein? Das war doch lächerlich.
Ein Blick auf die Nachttischuhr bestätigte mir, dass die Youngbloods schon wach sein
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