Aus heiterem Himmel: Ein Südstaaten-Krimi von TrueBlood-Autorin Charlaine Harris (Aurora Teagarden) (German Edition)
müssten. Ich griff zum Telefon neben dem Bett und tippte ihre Nummer ein.
„Ja?“, meldete sich Shelby mit tonloser Stimme.
„Es tut mir wirklich leid, euch so früh am Morgen schon zu stören. Aber ich wüsste wirklich nicht, warum Angel oder du so etwas tun würden, und wenn ihr es nicht wart, dann hat irgendein Fremder Madeleine eingefangen. Irgendjemand hat sie dazu gebracht stillzuhalten, bis er ihr eine Schleife um den Hals gebunden hatte.“
„Sag das nochmal“, bat Shelby.
„Irgendwer hat sich Madeleine, die Katze, geschnappt, und ihr eine rosa Schleife um den Hals gebunden.“
„Warum zum Teufel sollte jemand denn sowas machen? Das Biest kratzt einem doch die Augen aus, wenn man es festhalten will.“
„Hat Angel dir von den Blumen erzählt?“
„Nein.“
Richtig, die beiden hatten am Abend zuvor wichtigere Dinge zu besprechen gehabt.
„Gestern hat jemand Blumen an diese Adresse liefern lassen. Mit einer Karte, aber ohne Unterschrift.“ Ich berichtete Shelby, was auf der Karte gestanden hatte. „Eine von uns, entweder deine Frau oder ich, hat einen unbekannten Verehrer. Das finde ich beunruhigend.“
„Ich komme gleich mal rüber.“
„Warum? Willst du dir die Schleife ansehen? Was würde das bringen?“
Shelby schwieg kurz.
„Ich fahre gleich heute Morgen mit der Katze zum Tierarzt“, sagte er schließlich. „Er muss ihr Blut abnehmen und es untersuchen, damit wir wissen, ob sie betäubt wurde. Zusätzlich möchte ich wirklich einen Blick auf die Schleife werfen. Wir müssen sie aufbewahren, falls wir die Polizei hinzuziehen wollen.“
„Okay, dann schneide ich sie mit der Schere ab.“
„Ich bin in ungefähr zehn Minuten bei dir und hole die Katze.“
Ganz beiläufig, um Madeleine bloß nicht zu verschrecken, holte ich mir meine Nagelschere vom Schminktisch und setzte mich wieder neben die Katze aufs Bett. Ich kraulte sie sanft hinter den Ohren, bis sie laut schnurrend den Hals streckte, dann kraulte ich ihr die Stirn, woraufhin sie die Augen schloss. Langsam und vorsichtig schob ich anschließend den dünneren Teil des Scherenblattes unter das rosa Band und schloss die beiden Hälften womöglich noch vorsichtiger. Trotzdem entging das leise Klicken Madeleine nicht, und außerdem bekam sie natürlich auch mit, dass ihr Hals nicht mehr von einer Schleife eingeengt wurde. Sie fuhr mit einem Ruck auf und biss kräftig zu. Eigentlich hatte ich mit der Attacke gerechnet. Madeleine hielt absolut nichts von Toleranz und Zurückhaltung. Wenn man es genau nahm, war sie die meiste Zeit als Haustier nicht zu gebrauchen.
Nachdem ich mir die Wunde leise fluchend mit einer antiseptischen Lösung ausgewaschen und verbunden hatte, zog ich meinen Bademantel über und ging nach unten, um Madeleines Transportkiste aus dem Schrank zu holen. Shelby war pünktlich und klopfte an die Küchentür, als ich den Korb gerade in der Hand hielt.
Ich tippte den Code ein, mit dem die Alarmanlage ausgeschaltet wurde, und ließ ihn ein. Shelby, groß, dünn und mit einem Gesicht voller Pockennarben, konnte ziemlich einschüchternd wirken. An Angel hatte ich mich inzwischen gewöhnt und fühlte mich wohl in ihrer Gesellschaft. Bei Shelby war das noch nicht ganz so der Fall.
An diesem Morgen hatte er jedoch wenig Furchteinflößendes. „Hast du kurz Zeit zum Reden?“, erkundigte er sich leise. Ich warf einen Blick auf die Uhr. In der Bücherei brauchte ich erst in einer Stunde zu sein.
„Natürlich. Möchtest du einen Kaffee?“
Er schüttelte den Kopf und kam gleich zur Sache, während ich mir selbst eine Tasse Kaffee einschenkte. „Roe? Hast du hier je einen anderen Mann gesehen, wenn ich nicht da war?“ Woraufhin ich mit lautem Knall meine Tasse absetzte, zu Shelby Youngblood hinüberging und ihm eine kräftige Ohrfeige versetzte. Ich war so wütend, mir fehlten einen Moment lang die Worte.
„Wie kannst du es wagen anzudeuten, deine Frau könnte eine Affäre gehabt haben!“, zischte ich schließlich aufgebracht. „Wenn du gestern beim Arzt dabei gewesen wärst, wenn du gesehen hättest, wie durcheinander sie war, welche Angst sie hat, du könntest sie irgendwie verdächtigen – dann würdest du nie so etwas Dämlichesvon dir geben!“
Kaum hatte ich meine Rede beendet, da wurde mir auch schon klar, dass Shelby wohl nicht der einzige Dummkopf im Raum war. Ich hatte gerade einen Mann geohrfeigt, der mir ohne Weiteres blitzschnell das Genick brechen konnte. Ich könnte den Angriff nicht
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