Aus Licht gewoben
Gesicht. »Wenn im nächsten Frühjahr die neue Rangordnung festgelegt wird, werde ich meine Stellung vermutlich nicht halten können. Falls du auch teilnehmen möchtest …«
»Du weißt doch, dass das für mich nicht in Frage kommt«, sagte North.
»Im Moment nicht«, wandte ich ein. »Aber irgendwann vielleicht schon.«
Überrascht sahen die beiden mich an.
»Ich habe da ein paar Ideen«, sagte ich zu North. »Ich weiß nicht, ob sie sich umsetzen lassen, aber wenn du bereit bist, es zu versuchen, bin ich es auch.«
»Bitte versuche es«, sagte Hecate. Sie legte North eine Hand auf die Schulter, und ich dachte schon, sie wolle ihn umarmen. Stattdessen beugte er sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
»Benimm dich, Mutter«, sagte er. »Wenn du mich brauchst, komme ich zurück, das weißt du.«
»Ich hoffe, wir sehen uns zur Sommersonnenwende. Wir alle.« Als sie wieder auf die Schlosstore zuging, hob sie noch einmal kurz die Hand und winkte. Wir erwiderten die Geste. Nachdem sie nicht mehr zu sehen war, stieß North erleichtert den angehaltenen Atem aus. Ich suchte sein Gesicht nach Anzeichen ab, dass er verwirrt oder verletzt war, konnte aber nur völlige Ruhe entdecken.
Er wandte sich an mich. »Was hältst du davon, wenn wir uns jetzt auf den Weg machen?«
»Willst du denn nicht an den Feierlichkeiten teilnehmen?«
»Nein«, antwortete er. »Ich möchte einfach nur ein bisschen Ruhe.«
North bückte sich nach unserem Gepäck, das ich bisher gar nicht bemerkt hatte, und warf es sich über die Schulter.
»Ich hab mir überlegt«, sagte er, »dass ich dir einen neuen Webrahmen bauen könnte. Würdest du ihn mir beschreiben? Genau so, wie du ihn dir vorstellst?«
»North«, wandte ich ein, aber er ließ mich nicht ausreden. »Es würde mir sehr viel bedeuten«, sagte er. »Du müsstest mich nur etwas anleiten, und wir müssten in einer Stadt anhalten, damit ich die nötigen Werkzeuge besorgen kann. Ich denke, in Fairwell sollten wir alles bekommen, was ich brauche, meinst du nicht?«
»North, mir würde natürlich alles gefallen, was du für mich machst«, begann ich und legte meine Arme um seine warme Mitte. »Aber ich hatte gehofft, du würdest mich nach Cliffton bringen. Nachdem ich mit Henry gesprochen hatte, habe ich gemerkt, wie sehr es mir fehlt, und ich will einfach meine Familie und meine Freunde sehen. Könntest du mich nach Hause bringen?«
»Natürlich«, sagte er. »Ich bringe dich, wohin du willst.« In seiner Stimme lag ein seltsamer Anflug von Traurigkeit, den ich nicht verstand, aber ehe ich noch etwas sagen konnte, hatte er uns in den Umhang gewickelt, den ich für ihn gemacht hatte, und wir waren fort.
Epilog
E s dauerte fast eineinhalb Monate, bis sein Lächeln wieder zurückkehrte. Nachdem North mit mir aus der Stadt gesprungen war, plante ich sorgfältig unseren Weg nach Westen. Wir blieben auf der Prima Road, der Straße, die uns eigentlich nach Provincia hatte bringen sollen. Nachdem wir ihrem schnurgeraden Verlauf mehrere Wochen gefolgt waren, musste ich zugeben, dass die Strecke, die wir auf dem Hinweg genommen hatten, ein Umweg, aber auch um einiges interessanter gewesen war.
Wenn wir müde waren, hielten wir an, aßen, wenn es nötig war, und arbeiteten, wenn das Gold knapp wurde. Es war die altbewährte Routine, allerdings durchsetzt mit weitaus weniger Angst und viel mehr Freude als bei unserer letzten Reise. Zwischen uns hatte sich alles verändert, und doch fühlte es sich an, als wäre alles wie früher. Es kam mir seltsam vor, wie ich an einem Menschen erst alles hassen und dann dazu übergehen konnte, sogar seine schlimmsten Fehler zu lieben.
Als wir uns der eindrucksvollen Grenze der Sasinou Berge näherten und uns die erste Welle heißer Wüstenluft erreichte, veränderte sich Norths Verhalten.
»Ich glaube, jetzt kann ich den Rest der Strecke springen«, sagte er und blieb abrupt stehen. Sein Blick war auf die Berge gerichtet, nicht auf mich.
»Bist du sicher?«, fragte ich. »Es sieht weiter aus als eine Meile.«
»Willst du wieder einen Weg durch dieses furchtbare Gewirr aus Trampelpfaden suchen?«, fragte North. »Nein, vielen Dank!«
Ehe ich protestieren konnte, hatte er uns schon in seinen Umhang gehüllt. Ich hielt mich an seinen Schultern fest und drückte ihn an mich. Als unsere Füße auf der Erde auf kamen, blieben wir noch in den Umhang gewickelt, als wollte er nicht, dass dieser Augenblick jemals endete. Ich wäre vollkommen damit
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