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Aus Licht gewoben

Aus Licht gewoben

Titel: Aus Licht gewoben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Bracken
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das Gelächter des Gasthauses und Norths unerträgliches Grinsen aussperren. Ich hielt mich am Treppengeländer fest, den Blick auf die Schmutzspur gerichtet, die ins obere Stockwerk führte. Die stickige Hitze und der Lärm des Gasthauses lagen hinter mir, aber dem unangenehmen Geruch war nicht zu entkommen.
    Das einzige Fenster auf dem Flur wurde durch ein dünnes Buch offen gehalten. Mit einiger Anstrengung schob ich den störrischen Holzrahmen ganz auf. Als er endlich nachgab, wurde ich mit kühler Nachtluft belohnt.
    Ich lehnte mich in die Nacht hinaus und atmete einen friedvollen Augenblick lang tief durch. Seit unserer Flucht aus Cliffton hatten wir kaum angehalten, abgesehen von den wenigen Stunden jede Nacht, in denen ich den Zauberer davon überzeugen konnte, mich schlafen zu lassen. Er hielt nie den Mund oder die Füße still, blieb immer in Bewegung.
    Nachts waren die Brücken von Dellark eindrucksvoll, aber nicht furchteinflößend. Ab und zu kam ein fröhliches Paar über eine der Brücken, so miteinander beschäftigt, dass sie gar nicht bemerkten, wie sich der Vollmond im Wasser spiegelte.
Er schwebte dort, inmitten der Sterne, bis ein Windhauch kam und das Bild verwischte.
    Ich trat zurück in die Wärme. Obwohl die Sterne lange nicht so leuchteten wie in Cliffton, konnte ich doch jedes Sternbild erkennen. Astraea, den magischen Fluss, Salvala, die Schwertträgerin …
    Fast hätte ich nicht gemerkt, wie mir jemand auf die Schulter tippte, doch das breite rote Gesicht des Fremden, der hinter mir aufgetaucht war, konnte man nicht übersehen.
    »Hat Ihnen schon einmal jemand gesagt, dass Ihr Haar die gleiche Farbe hat wie das Astraeas?«
    Er trug einen hellblauen Samtmantel, war fast so klein wie ich und hatte unnatürlich helle blonde Haare mit einem leichten Rotstich. Auf seinem Gesicht lag ein schmieriges Grinsen.
    Ich trat einen Schritt zurück.
    »Ja«, antwortete ich.
    »Wie rotes Gold«, sagte er nachdenklich. »Das Haar unserer Göttin, doch Auster hat sie für seine Uniformen ausgewählt. Ironie des Schicksals, finden Sie nicht?«
    »Kaum«, entgegnete ich. »Salvala und Astraea sind Schwestern. Sie sehen sich sehr ähnlich.«
    Hinter dem Mann mit dem blauen Mantel erschien ein Junge, kaum älter als ich. Er sah aus wie Billy Porter, Henrys Cousin. Bei diesem Gedanken zog sich mein Magen zusammen.
    »Was habe ich über Trödelei gesagt?«, fragte der Mann nicht unfreundlich.
    »Entschuldigen Sie, Mr. Genet«, antwortete der Junge.
    Mr. Genet beugte sich vor und flüsterte: »George ist nur mein Gehilfe. Beachten Sie ihn gar nicht weiter.«
    »Sind Sie« – ich überlegte kurz – »ein Zauberer?« North war so warmherzig gewesen, dass ich angenommen hatte, das
würde für alle Zauberer gelten, aber so einfach lagen die Dinge wohl nicht.
    »Einer der wenigen in der Stadt, aber der beste in dieser Gegend! Nummer einhundertzweiundzwanzig.«
    »Einhundertzweiundzwanzig?«, fragte ich verwirrt.
    Genet stieß ein entzücktes Lachen aus. »Was sind Sie doch für ein einfaches Mädchen! Das ist mein Rang unter Zauberern. Unter fast vierhundert Zauberern gibt es nur einhunderteinundzwanzig, die mächtiger sind als ich. Das ist eine beachtliche Leistung, wissen Sie. Mein Meister, der große Alfred Ollman, konnte mein Ausbildungsgesuch gar nicht schnell genug annehmen, als er entdeckte, was für ein Wunderkind er da vor sich hatte.«
    Ich nickte und versuchte mich an ihm vorbeizumogeln, doch er verstellte mir den Weg.
    »Sie sind etwas ganz Besonderes, nicht wahr?«, fragte er. »Ich wusste zuerst nicht, woran es lag, aber es ist mir sofort aufgefallen, als ich aus meinem Zimmer kam. Wollen wir zusammen etwas trinken?«
    Genet musste mein Entsetzen mit Bewunderung verwechselt haben, denn plötzlich hatte er meine Hand genommen und an seine schlaffe, feuchte Unterlippe gedrückt. Ich riss mich los.
    »Sir!«, stieß ich hervor. »Ich bitte Sie!«
    Er griff erneut nach meinem Arm und zog mich so heftig an sich, dass ich einen Schrei ausstieß. Sein Gehilfe packte mich am anderen Arm, und ich versuchte mich zu befreien, während sie mich den Gang entlangzerrten. Ich stemmte mich gegen sie und versuchte mich loszumachen, aber als wir die enge Treppe erreichten, war ich zwischen Genets ausladendem Bauch und den spitzen Ellbogen seines Gehilfen eingeklemmt.

    Ohne nachzudenken, biss ich Genet in den Arm. Er schrie vor Schmerz laut auf und stieß mich die letzten Stufen hinunter und durch die Tür in die

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