Aus Nebel geboren
vermochte.
Fay konnte ihren Blick nicht von dem Mann nehmen, der auf sie zukam. Die dunklen Locken hingen ihm in die Stirn, der kurze Bart verlieh ihm zusammen mit seiner ungewöhnlichen Kleidung etwas Geheimnisvolles. Das Gesicht war schmerzverzerrt, aber seine schwarzen Augen unter den dichten Brauen wirkten entschlossen, als er weiter durch den Raum ging. Die Gäste machten ihm den Weg frei, drängten zurück und hoben ergeben die Hände.
Fay spürte den Blick des Fremden, der sich in sie zu bohren schien, als er den erstarrten Gast vor ihr achtlos beiseitestieß. Mit seinem Stiefel trat er gegen den Hebel, der die Nebelmaschine erneut in Gang setzte, und sprang auf die Bühne, als der künstliche Dunst ausströmte.
Fay atmete, als wäre sie gerannt, so sehr peitschte sie die Furcht. Aber es war nicht direkt der Mann, der diese auslöste, sondern das, was ihn umgab. Es war seine Aura, die so ungewöhnlich war, dass alle um sie herum es zu bemerken schienen. Da war das Blut an seiner Kleidung, seine offensichtlichen Schmerzen, der Schweiß auf seiner Stirn. Seine Entschlossenheit zusammen mit dem Hauch von Verzweiflung, die ihn anzutreiben schien – und unter all dem lag etwas Altes. So alt wie die Menschheit, das aber nur selten so roh zu fühlen war. Angst.
Dieser Mann hatte trotz der tödlichen Klingen an seinen Armen Angst.
Als Fay das erkannte, war er schon bei ihr. Ihr panischer Schrei vermischte sich mit den überraschten Rufen der Gäste, als ein weiterer Mann in einem ähnlich ungewöhnlichen Outfit in die Bar stürmte.
Wie am Rande eines Traumes bemerkte Fay den Neuankömmling außerhalb ihrer künstlich geschaffenen Nebelschwade, denn ihr ganzes Sein konzentrierte sich auf den Mann, der seine Hände grob um ihre Oberarme schloss. Sein derber Umhang kratzte über ihre nackte Haut, und sie spürte sein blutfeuchtes Hemd an ihrem Bauch, als er sich gegen sie presste und ihren Mund mit einer Hand verschloss.
„Hör zu!“, befahl er, ehe er sie weiter in den Nebel der Maschine schob und damit die Welt aussperrte.
„Hör gut zu!“ Sein Atem kam gepresst, und er kniff kurz die Augen zu, als müsse er den Schmerz zurückdrängen.
„Ich werde dir nichts tun, aber du musst jetzt genau machen, was ich dir sage, verstehst du mich?“
Fay nickte. Sie schmeckte das Salz auf seinen Fingern und fühlte sein Blut warm an ihrer Seite hinunterlaufen, als er sich bewegte. Ohne ihren Körper freizugeben, drückte er ihr etwas in die Hand. Es war ein Beutel, um den er schmerzhaft fest ihre Finger schloss.
„Gib das Julien! Niemandem sonst! Die Zukunft der Menschheit hängt davon ab, dass dies nicht in die falschen Hände gerät, hörst du?“
Fay zitterte. Die Hand auf ihrem Mund erstickte sie fast, und das Gewicht des Mannes, der sich gegen sie presste, ließ sie wanken. Sein Atem, so heiß an ihrem Ohr, verstärkte noch die Eindringlichkeit seiner Worte, und so nickte sie, auch wenn sie ihn für verrückt hielt. Der kalte Stahl der Klingen an seinen Armstulpen ritzte ihr in die Haut, als er sich bewegte, und sie zuckte zurück.
„Nicht!“, befahl er und verhinderte jede weitere Regung, indem er sich noch dichter an sie presste.
„Julien wird dich finden. Gib es nur ihm! Sag ihm …“
Ein Surren zerschnitt seine Worte, und er schlug hart gegen Fay. Kraftlos klammerte er sich an sie und sah zwischen ihren Körpern hinab.
Im grellen Licht der Scheinwerfer glänzten ihre Brüste rot von seinem Blut, welches an ihr hinabrann und ihren glitzernden String besudelte. Sein Blick glitt über sein Hemd, über seine Brust bis hinab zu dem breiten Gürtel, und er schien überrascht, zwei glänzende Pfeilspitzen aus seinem Körper ragen zu sehen.
Erschrocken wollte Fay sich wehren. Sie versuchte, sich loszureißen, als sie die Pfeilspitzen sah, die ihn durchbohrt hatten.
Obwohl er schwer verwundet sein musste, rüttelte er sie überraschend kräftig und griff ihr in die Locken, um sie festzuhalten.
„… Sag ihm … die Bruderschaft … ein Verräter“, er hustete und spuckte Blut. Er sah über die Schulter. Bemerkte offensichtlich den Mann in der Kutte, der auf die Bühne zukam. Eine schnelle Bewegung seines Armes ließ eine Klinge in seine Handflächen gleiten – und mit einem raschen Schnitt trennte er eine Strähne von Fays flammenden Haaren ab.
„Versteck es!“, keuchte er ihr ins Ohr, ehe er sie von sich stieß und durch den Vorhang hinter die Bühne floh.
Fay taumelte rückwärts und stürzte
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