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Aus Nebel geboren

Aus Nebel geboren

Titel: Aus Nebel geboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Bold
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sie war ihr doch nicht wie ein Kostüm vorgekommen. Und dann das Blut … Fay schüttelte es. Das Blut war definitiv echt gewesen, genau wie die furchtbare Verletzung des Mannes. Daran bestand kein Zweifel.
    Zögernd nahm Fay den Beutel in die Hand, den der Fremde ihr gegeben hatte. Ein Lederbeutel. Wie merkwürdig. Wer trug denn einen Lederbeutel bei sich? Fay sah über ihre Schulter, aber vor dem Vorhang war alles ruhig. Die Musik in der Bar lief wieder, und anhand der Pfiffe, die gelegentlich ertönten, erkannte sie, dass die Gäste recht schnell über die ungewöhnliche Unterbrechung hinweggekommen waren.
    Vielleicht hatten die ja nicht bemerkt, dass der Mann, der zu ihr auf die Bühne gekommen war, schwer verletzt gewesen war? Vielleicht hatten sie es für eine besondere Showeinlage gehalten? Das war möglich, denn der Nebel musste das Meiste vor deren Augen verborgen haben.
    Fay wog den Beutel in ihren Händen. Er war nicht sonderlich groß und auch nicht besonders schwer. Zögernd öffnet sie das Zugband und spähte hinein. Was war denn das? Sie sah genauer hin.
    Heilige Scheiße!
    Ihr Puls beschleunigte sich, und sie presste den Beutel an sich, sah sich um. Sie war allein. Noch einmal warf sie einen Blick hinein.
    Sollte sie damit zur Polizei gehen?

Der Verlust

    Paris, heute
    Der Morgennebel zog träge von der Seine herauf und hüllte die ufernahen Straßen in einen geheimnisvollen Schleier.
    Julien Colombier eilte mit großen Schritten die Straße entlang. Sein dunkler Ledermantel blähte sich hinter ihm, und die Feuchtigkeit drang durch sein weit geschnittenes Hemd. Louis gelang es neben ihm kaum, Schritt zu halten. Beiden stand die Sorge ins Gesicht geschrieben. Mit einem raschen Blick auf den frühen Berufsverkehr überquerten sie die Fahrbahn und beugten sich über das Geländer der Uferpromenade.
    „Du glaubst doch nicht, dass ihm etwas zugestoßen ist, oder?“, fragte Louis und suchte mit den Augen die Wasseroberfläche ab.
    Julien zuckte die Schultern und fuhr sich durch sein nackenlanges dunkelblondes Haar. Als wollten die Strähnen verhindern, dass sich sein Blick auf das heftete, was er nicht zu finden hoffte, fielen sie ihm zurück in die Stirn.
    „Wo ist er dann? Gabriel wäre nicht einfach spurlos verschwunden! Nicht, nachdem wir endlich fanden, was wir so lange gesucht hatten!“
    „Vielleicht feiert er unseren Triumph bei einer Hure?“, schlug Louis leichtfertig vor, aber seine zusammengekniffenen Augen und die Sorgenfalte auf seiner Stirn straften seine lockeren Worte Lüge.
    „Nicht Gabriel“, stellte Julien nüchtern fest. „Jeden anderen von euch würde ich erst in den Bordellen der Stadt oder zwischen den gespreizten Schenkeln irgendeiner Frau vermuten, aber nicht ihn.“
    Louis senkte verschämt den Blick. Nach der Sache in Rom hatte Gabriel sich auf keine Frau mehr eingelassen, und Louis war daran nicht ganz unschuldig. Julien wusste, er hatte ins Schwarze getroffen.
    „Wo zum Teufel ist er dann?“
    Julien sah dem langhaarigen Mann an seiner Seite ins Gesicht. Ein Gesicht, das ihm so vertraut war wie sein eigenes. Die Adlernase und die eng stehenden schmalen Augen ließen Louis immer misstrauisch wirken. Und, wenn er wie jetzt, auch noch besorgt die schmalen Lippen unter seinem Bart zusammenpresste, sah er fast bedrohlich aus.
    „Wollen wir das wissen?“
    Julien sah sich unsicher um. Nichts kam ihm verdächtig vor. Aber auch das war verdächtig.
    „Wenn wir ihn hier finden … dann …“
    „Juls – dort drüben!“
    Juliens Blick folgte der Richtung, in die Louis deutete. Hilflose Wut packte ihn, als er seinen Gefährten an einer der Treppen, die hinunter zum Wasser führten, entdeckte.
    Reglos.
    „Komm!“, rief Julien und sah sich ein weiteres Mal um. Er glaubte, Blicke in seinem Rücken zu spüren, aber er konnte nichts entdecken. Die Straßen waren bis auf die vorbeifahrenden Autos menschenleer. Mit einem Satz schwang er sich über das dunkle Geländer und ließ sich die Kaimauer hinab fallen. Louis tat es ihm nach und landete elegant in der Hocke. Zögernd näherten sie sich Gabriel. Es war ein merkwürdiges Gefühl der Angst, welches sich um Juliens Herz schloss. Verlust war ihm nicht neu, aber der Verlust eines Gefährten, eines Bruders …
    Julien bemerkte, dass seine Hände zitterten, als er neben seinem alten Freund niederkniete und dessen Puls fühlte. Aber allein Gabriels Körpertemperatur zeigte ihm, dass sie zu spät kamen.
    Gabriel war

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