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Aus Nebel geboren

Aus Nebel geboren

Titel: Aus Nebel geboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Bold
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von der Tanzfläche. Ihr Kopf schien unter der Wucht des Aufpralls zu bersten, und sie spürte die helfenden Hände kaum, die besorgt versuchten, sie aufzurichten. Ihr Blick hing an dem wehenden Umhang des Mannes, mit dessen Blut sie beschmiert war. Wer war der Kerl, und was …?
    Benommen fasste sich Fay an die Stirn und bemerkte erst jetzt den Beutel in ihrer Hand. Ängstlich suchte sie die Umgebung ab, aber der Kuttenträger war nicht mehr zu sehen. Im nächsten Moment schob Gino die Kerle weg, die sich teils gaffend, teils entsetzt um sie geschart hatten, und half ihr hoch.
    „Weg da! Haut ab!“, rief er und hob Fay vom Boden auf. Sie ließ es geschehen, nicht nur, weil ihr jeder Knochen schmerzte, der Schock des Erlebten die Knie zittern ließ und sie es nicht ertrug, die Blicke der Männer noch länger auf sich zu spüren. Sondern auch, weil sie so den Lederbeutel zwischen sich und dem Türsteher verbergen konnte, als er sie durch die Menge trug.
    Ihr kam es vor, als wäre ein Jahr vergangen seit dem Moment, als sie das kleine Hinterzimmer verlassen hatte, um zu tanzen, und jetzt, wo Gino sie blutbeschmiert wieder hier absetzte. Sie zitterte unkontrolliert, und der Versuch, das Blut des Fremden abzuwischen, war vergeblich.
    „Geht es dir gut? Bist du verletzt?“, fragte Gino irritiert wegen des vielen Blutes.
    War sie verletzt? Fay wusste es nicht genau. Sie hatte Kopfschmerzen, ihr war kalt, und die Schulter pochte furchtbar, aber das Blut … Sie sah an sich hinab, suchte nach einer Wunde. Nein, das Blut war nicht von ihr. Sie schauderte, als sie an die beiden roten Pfeilspitzen dachte, die die Brust des Mannes durchbohrt hatten.
    „Fay?“, hakte Gino noch einmal nach.
    „Hm … nein, ich … ich denke, mir geht es gut.“
    „Du bist ganz blass.“
    Fay strich sich das Haar aus dem Gesicht und bemerkte die kurzen Fransen, dort, wo der Fremde ihr die Strähne abgeschnitten hatte.
    „Mir geht es gut, wirklich. Vielleicht lässt du mich kurz allein … ich … brauche einen Moment für mich.“
    „Sicher, Süße. Wenn du was brauchst …“
    „Danke, Gino. Aber ehrlich, ich komme klar. Sieh lieber nach der Hintertür. Nicht, dass diese Spinner hier noch irgendwo herumlungern“, unterbrach sie ihn und nickte in Richtung des schäbigen Vorhangs, der das Hinterzimmer vom Flur und der Bühne trennte.
    „Mach ich. Und die Polizei ruf ich auch! Dass die Spinner aus ihren Löchern kommen, sobald sich ihnen eine Gelegenheit bietet, sich zu verkleiden! Immer das gleiche Spiel!“
    Damit verschwand der Rausschmeißer, und Fay atmete erleichtert aus. Sie vermied den Blick in den Spiegel vor sich und ließ stattdessen den Beutel auf den Schminktisch fallen. Erst jetzt bemerkte sie, wie verkrampft sie ihre Finger um das Leder geschlossen hatte. Sie machte eine Faust und löste sie wieder, ehe sie sich eine Zigarette aus der Schachtel fischte. Es dauerte einen Moment, bis es ihren zitternden Fingern gelang, diese anzustecken, aber als sie den Rauch tief in ihre Lunge sog, fühlte sie sich besser. Sie drehte den Wasserhahn auf, und das heiße Wasser dampfte so, dass der Spiegel beschlug. Fay stellte es etwas kühler und zog sich den String aus. Das Blut des Fremden hatte seinen Weg bis auf ihre Schenkel hinunter genommen, und es sah fast aus, als wäre es aus ihr herausgeflossen.
    Sie rieb sich kräftig übers Gesicht, um das Erlebte zu vertreiben und die aufsteigende Panik niederzuringen. Die Spitze der Zigarette glühte hell auf, als sie erneut einen tiefen Zug tat.
    Die Kippe zwischen den roten Lippen, fing sie an, sich zu waschen. Es war nicht so einfach, das getrocknete Blut abzuwaschen, und ihre Haut war rotgescheuert, als sie schließlich erschöpft aufgab. Sie würde noch mindestens ein Dutzend Mal duschen, ehe sie das Gefühl haben würde, nicht länger mit Blut beschmiert zu sein. Mit dem Finger fuhr sie die dünne rote Linie nach, die die Klinge des Fremden oberhalb ihres Bauchnabels hinterlassen hatte. Es war nur ein Kratzer, aber erschreckend genug, um ihr den Schweiß ausbrechen zu lassen.
    Was war da gerade geschehen? Es war alles so verdammt schnell gegangen.
    „Scheiße! Was für eine Scheiße!“, fluchte Fay noch immer zitternd und drückte die Zigarette aus.
    Wer zur Hölle war dieser Kerl gewesen? Ein Spinner, wie Gino glaubte? Nein, denn dann wären es mehrere Spinner gewesen! Der Verfolger fiel ihr ein, seine Kutte – oder was immer das gewesen war. Ungewöhnlich hatte sie ausgesehen, aber

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