Aus Notwehr! - Aus Notwehr! - For a House Made of Stone. Gina's Story
als Taxifahrer - und fragte, ob jemand von uns in die Stadt wolle, um dort für ihn und seine Frau als Hausmädchen zu arbeiten, sagte Beth zu. Dieser Cousin besaß ein Stück Land nicht weit weg von unserem, und Papa kümmerte sich für ihn darum; manchmal kam der Cousin zu Besuch, um seinen Anteil vom Geld zu kassieren. Da ich ein neues Leben anfangen und Geld verdienen wollte, sagte ich, dass ich mit Beth mitkäme. Beth könnte ja für unseren Cousin und seine Familie arbeiten, und ich wollte mir einen anderen Job suchen, sobald wir in der Stadt ankamen. Beth hatte eine kleine Tochter und ein Neugeborenes, die sie bei Mama ließ. Ihr Mann hatte, als sie sich trennten, nicht einmal gewusst, dass sie ein zweites Kind erwartete. Beth hatte immer einen Dickschädel gehabt und viel gearbeitet. Sie war schlank und hatte, obwohl ihre Haut sehr dunkel war, einen herrlichen Teint und ein pfirsichförmiges Gesicht. Ich respektierte und liebte sie über alles.
Da ich nicht bei Jun und Dailyn sein konnte, dachte ich, dass ich genauso gut dem zweiten von mir gewählten Weg folgen und in die Stadt gehen konnte, um dort das Geld zu verdienen, das ich meiner Familie zu schulden glaubte. Ich wollte diesen schrecklichen Schuldgefühlen ein Ende
bereiten, die mich immer niederdrückten, wenn ich meine Eltern anschaute und sah, wie sie sich von morgens bis zu dem Augenblick, in dem sie einschliefen, abrackerten.
An dem Tag, als wir abfahren sollten, arbeiteten mein Vater und meine Mutter oben in den Bergen. Ich hinterließ ihnen also eine schriftliche Nachricht.
Was passiert ist, tut mir sehr Leid. Ihr wisst, dass ich euch nie etwas zuleide getan hätte, wenn ich anders gekonnt hätte. Es tut mir Leid, dass ich euch so viele Schmerzen bereitet, so viel Geld gekostet habe. Ich werde es euch zurückzahlen, egal, was passiert.
Gina
Ich verließ den Berg, doch all das Leid nahm ich mit. Ich wusste, dass sie erleichtert wären, eine Bürde weniger auf den Schultern zu tragen, selbst wenn sie mich ein bisschen vermissten. Und ich war wild entschlossen: Irgendwann einmal sollten sie stolz auf mich sein.
6. KAPITEL
Wiedergutmachung
Beth und ich fuhren miteinander im Bus, aber während sie das Ziel ihrer Reise kannte, hatte ich keine Ahnung, was auf mich zukommen würde. Beth hatte ihre Kinder bei meiner Mutter gelassen und wollte sich zuerst in Manila häuslich einrichten, bevor sie sie holen fuhr. Die Stunden der Reise zogen sich monoton dahin, und je weiter sie mich von Jun und Dailyn entfernten, desto nervöser wurde ich; ich fragte mich, ob ich richtig gehandelt hatte und ob ich fern der Heimat überhaupt zurechtkommen würde. Ich kuschelte mich an meine Schwester und machte die Augen zu. Ich erinnerte mich, wie stark mein Heimweh beim letzten Mal in Manila gewesen war, und hatte Angst, dass dieses Gefühl wiederkehren würde.
Als wir die Außenbezirke der Stadt erreichten, weckte der Anblick der betriebsamen Straßen und Gebäude noch mehr Erinnerungen. Ich fragte mich, was für Abenteuer nun vielleicht auf mich zukommen würden, aber gleichzeitig machte ich mir auch Sorgen. Ich musste unbedingt einen Weg finden, um Geld zu verdienen, damit ich meinen Eltern beweisen konnte, dass ich nicht »faul« war und »zu nichts taugte«, aber ich wollte Beth nicht von der Seite weichen. Sie wirkte so stark und sich ihrer Zukunft gewiss, und sie war die einzige Verbindung zu meiner Kindheit und allem, was mir vertraut war.
Da ich noch nicht bereit war, allein irgendwohin zu gehen, folgte ich Beth zu unserem Cousin nach Hause. Ich erklärte ihm, dass ich einen Job brauchte, und er sagte, er würde sich umhören, ob in der Nachbarschaft jemand ein Hausmädchen suchte. Es dauerte nicht lang, da hatte er auch schon eine Familie gefunden, die bloß ein paar Türen entfernt wohnte. Ich suchte sie auf, und sie sagten, sie würden mich gern nehmen, aber ich stellte mit Entsetzen fest, dass ich nicht einmal den Gedanken ertrug, so weit von Beth entfernt zu sein. Das starke Selbstbewusstsein, mit dem ich damals als Elfjährige nach Manila gekommen war, schien mich jetzt als erwachsene Frau völlig verlassen zu haben.
»Es ist doch bloß zwei Häuser weit weg«, erklärte Beth mir verblüfft, weil ich mich weigerte, das gute Angebot dieser offensichtlich netten Familie anzunehmen. »Ich könnte dich ja trotzdem jeden Tag besuchen.«
»Ich weiß«, sagte ich und kam mir sogar bei dem Versuch, eine Erklärung abzugeben, noch dumm vor.
Weitere Kostenlose Bücher