Aus Notwehr! - Aus Notwehr! - For a House Made of Stone. Gina's Story
eigentlich mit niemandem reden wollte. Ich sah nicht, wie mir ein Gespräch mit einem völlig Fremden helfen sollte. Dann nahm ich jedoch meinen ganzen Mut zusammen und willigte ein.
»Mrs. Donald«, sagte der Arzt, als wir miteinander sein Sprechzimmer betraten, »ich würde gern allein mit Ihnen reden. Meinen Sie, wir könnten Ihren Gatten bitten, drau ßen zu warten?«
Ich sah Paul an, dem die Vorstellung offensichtlich nicht behagte. Aber es war dem Arzt ernst, und so ging Paul widerwillig zurück ins Wartezimmer.
»Was ist los, Mrs. Donald?«, fragte der Arzt, sobald wir unter uns waren. Ich konnte meine Tränen einfach nicht zurückhalten und fing sofort an zu weinen.
Seit meiner Ankunft in England hatte ich mit niemandem besprechen können, wie es mir ging. Alles hatte sich in meinem Kopf aufgestaut, bis ich das Gefühl hatte, dass er platzen würde. Wie Dr. Reynolds so schien mir auch dieser Arzt vertrauenswürdig zu sein. Ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte, aber er stellte mir immer wieder Fragen, und schließlich kam alles heraus.
»Eigentlich sind wir nach England gekommen, um unsere Beziehung zu retten«, erklärte ich ihm, »aber jetzt habe ich das Gefühl, dass ich hier in der Falle sitze, und ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte er.
»Mein Mann missbraucht mich und meinen Sohn.«
»Um was für eine Art Missbrauch handelt es sich?«
»Er wird wütend und schlägt uns.«
Wir unterhielten uns eine Weile, und er schien sehr mitfühlend zu sein, aber letztendlich kam er dann wohl zu dem Schluss, momentan auch nicht mehr tun zu können, als mir Tabletten für meine Depression zu geben. Er warnte mich, dass ich mich eine Weile schlechter fühlen könnte, bis sie richtig wirkten. Alles schien so schwarz und hoffnungslos - und es wurde immer noch schwärzer.
Man hat mich später gefragt, weshalb der Arzt wegen Michael nicht das Jugendamt eingeschaltet habe. Da ich keine Ahnung hatte, dass es derartige Stellen zum Schutz von Kindern gibt, wusste ich nicht, was ich von ihm erwarten konnte. Vielleicht hat er die Sache ja auch gemeldet, und keiner hat reagiert. Vielleicht dachte er, dass ich bloß alles fantasierte, weil ich Depressionen hatte. Ich werde es wohl nie erfahren.
Ich sagte nur immer: »Ich will nach Hause«, wenn Paul mich fragte.
»Du fährst nicht nach Hause«, antwortete er jedes Mal, »du wirst einen anderen Weg finden müssen, mit dir wieder ins Reine zu kommen.«
Als ihm schließlich klar wurde, dass Prügel und Tritte nichts brachten, gingen ihm die Alternativen aus, und er verlegte sich auf verärgertes Schweigen. Als uns David besuchen kam, war er über meinen Zustand entsetzt.
»Okay«, sagte Paul, als David ihm sagte, dass er etwas tun müsse. »Ich bringe sie auf die Philippinen.«
Ich sagte nichts. Ich fühlte mich so krank und hatte vor allem solche Angst, dass ich einfach tat, was man mir sagte. Ich kam mir vor wie ein Tier, das man wieder in der Wildnis aussetzt, da keine Hoffnung mehr besteht, dass es je stubenrein wird. Wir fuhren also zum Flughafen, und ich saß mit Michael fröstelnd auf einer Bank, während Paul herumstapfte und für uns zwei Flüge organisierte. David sah mich an, scharf und nachdenklich zugleich.
»Paul«, sagte er nach einer Weile, »schau dir Gina doch an. Siehst du denn nicht, dass sie in diesem Zustand absolut nicht reisen kann? Sie ist wirklich krank!«
»Willst du auf die Philippinen zurück oder nicht?«,
fragte mich Paul, als würde ihm mein ständiger Meinungswechsel auf die Nerven gehen.
»Ja«, sagte ich, »ich will nach Hause.«
»Gina, das geht nicht«, sagte David in viel netterem Ton. »Dazu geht es dir viel zu schlecht.«
Die beiden stritten noch eine Weile herum, und dann gab Paul nach, und wir fuhren alle zum Fox and Hounds zurück. Ich fühlte mich völlig kraftlos, absolut unfähig, mein Schicksal in die Hand zu nehmen. An dem Abend, nachdem David gegangen war, bekam Paul meinetwegen einen Wutanfall.
»Warum willst du jetzt wieder nicht nach Hause?«, brüllte er.
»Aber ich will ja nach Hause«, erwiderte ich. »Ich will hier weg!«
Sein Zorn wurde immer schlimmer, als er herauszufinden versuchte, was zu tun war. Und ich hatte keine Ahnung, wie ich ihm helfen oder was ich ihm vorschlagen sollte. Seine Wut steigerte sich derart, dass nur Tritte sie zu besänftigen vermochten, und er sagte, dass er wegwolle und geschäftlich nach Thailand fahren würde. Ich konnte mir nur
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