Aus purer Liebe?
Moment klar geworden, als er sie spontan geküsst hatte.
Eine sehr direkte Art, sich wieder näher zu kommen, aber auch gefährlich, dachte er. Ihm war einfach nichts anderes eingefallen, um Raina von ihrer Flugangst abzulenken. Zumindest redete er sich das als Entschuldigung ein. Er hatte sogar Erfolg damit gehabt. Aber jetzt war auch sein Interesse als Mann für sie geweckt. Er befürchtete, dass es ihm nicht leicht fallen würde, die Finger von seiner süßen Begleiterin zu lassen. Seine Selbstbeherrschung würde bis Azzril auf eine harte Probe gestellt werden. Auch Raina wirkte nachdenklich, während sie die einfache Mahlzeit zu sich nahm, die ihnen serviert worden war. Dharr hatte sie noch nie so still erlebt.
Schließlich schob sie ihren Teller von sich und wischte sich den Mund mit der Serviette ab. "Das hat ausgezeichnet geschmeckt."
"Ich muss mich dafür entschuldigen, dass keine warme Mahlzeit serviert wurde. Aber es blieb leider keine Zeit für den Koch, etwas vorzubereiten."
"Ich sagte doch, dass es mir geschmeckt hat."
Dharr hielt die Flasche Bordeaux hoch. "Möchtest du noch etwas Wein?"
"Ich fürchte, wenn ich in dieser Höhe noch ein Glas trinke, bekomme ich einen Schwips."
Er schenkte ihr dennoch nach. "Vielleicht wäre es ganz gut, damit du dich entspannst."
"Aber ich bin entspannt." Raina schob das Glas so heftig von sich, dass es umgekippt wäre, hätte Dharr es nicht aufgefangen und dem hellen Teppich damit die Rotweinflecken erspart.
"Oh, wie ungeschickt von mir!" Raina versuchte, ihre Hände ruhig zu halten. Sie musste auf andere Gedanken kommen. "Sag mal, Dharr, kontrollierst du in Azzril schon alles?" fragte sie deshalb.
"Wie meinst du das?"
"Ich meine, regierst du das Land in eigener Verantwortung?"
"Meine Eltern sind oft auf Reisen, und ich habe meinem Vater fast alle Pflichten abgenommen, obwohl er offiziell noch der König ist."
"Hat Azzril sich sehr verändert?"
"Wir haben die Universität in Tomar erweitert und auch das Krankenhaus vergrößert", erzählte er. "In der Landwirtschaft wenden wir jetzt moderne Technologie an, so dass auch die ärmeren Gegenden am Fortschritt teilhaben."
"Beschäftigst du denn auch Frauen?" Es entging Dharr nicht, wie wichtig Raina die Frage war. "Ich meine, gibt es auch Frauen auf höheren Posten?"
Er lehnte sich zurück und ließ den Wein in seinem Glas kreisen. "Ja, du wirst staunen. Wir haben Ärztinnen, Anwältinnen und Professorinnen."
"Gibt es Frauen in der Regierung?"
"Bis jetzt nicht, aber das ist nur eine Frage der Zeit. Wärst du an so einer Position interessiert?"
"Ach was, ich bin nur neugierig", erklärte Raina lachend. "Meine Mutter hat sich allerdings immer beklagt, dass Frauen in Azzril nichts zu sagen hätten."
Für die Vergangenheit traf das auch zu. Dharr hatte sich in den letzten zehn Jahren sehr darum bemüht, dass Frauen studieren und Karriere machen konnten. Im Augenblick wollte er jedoch nicht über Politik reden. "Wie geht es deiner Mutter?"
"Sie muss sehr einsam sein. Seit sie sich von Papa getrennt hat, ist sie noch mit keinem anderen Mann ausgegangen."
"Soviel ich weiß, sind die beiden ja auch noch verheiratet."
Raina zupfte an ihrer Serviette. "Den Buchstaben nach schon, und keiner von beiden spricht von Scheidung. Aber ich finde das nicht richtig. Wenn sie nicht miteinander auskommen können, sollten sie sich lieber scheiden lassen, damit jeder seiner eigenen Wege gehen kann."
Dharr bemerkte den Schatten auf Rainas Gesicht, als sie von der Trennung ihrer Eltern sprach. Sie schien sehr darunter zu leiden. "Vielleicht sind sie beide zu stolz", sagte er sanft. "In Azzril gilt Scheidung immer noch als Makel."
"Aber meine Mutter kommt aus Amerika, da ist eine Scheidung etwas völlig Normales."
Er legte eine Hand auf ihre. "Ich denke, man nimmt die Sache in den Staaten zu leicht."
Raina zog ihre Hand weg. "Es hat doch keinen Wert zusammenzubleiben, wenn man sich damit nur quält."
"In gewisser Weise hast du Recht. Aber man kann die Ehe auch anders verstehen, nämlich als einen Vertrag, der für beide Partner Nutzen bringt."
"Was soll das denn konkret für ein Nutzen sein?"
Dharr nahm einen Schluck Rotwein. "Nun, ein Mann und eine Frau zusammen können Nachkommen zeugen. Das ist schon Grund genug für eine Ehe. Der Prozess der Zeugung kann, muss aber nicht lustvoll sein."
Raina hatte ihre Arme vor der Brust verschränkt und widersprach ihm energisch: "Weder Sex noch Babys können etwas daran ändern,
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