Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)
Fenster und sieht, wie zwei Kinder auf der anderen Straßenseite lachend und feixend vorbeigehen.
Als keine Gefahr mehr droht, geht der Junge zurück ins Wohnzimmer, stellt sich hinter seinen Vater und schneidet ihm die Kehle durch. Der Vater erwacht, kann aber nicht schreien, weil sein Mund mit Paketband verklebt ist. Blut schießt aus seinem Hals. Der Junge beobachtet den Todeskampf des Vaters genau. Erst als das Opfer nicht mehr atmet, lüftet er seine Maske. Die weichen Gesichtszüge wirken wie eingefroren.
Rüdiger hat lange, schwarze, strähnige Haare, ist 1,75 Meter groß, korpulent. Früher, als er noch Freunde hatte, nannten sie ihn »Rudi«. Damals sah die Zukunft für ihn gar nicht einmal so schlecht aus. Erst machte er eine Ausbildung zum Elektriker, später ging er kellnern, schließlich übernahm er eine Kneipe, wollte sogar heiraten, eine Familie gründen.
Doch die Sache ging gründlich schief: Rüdiger ließ sich mit den falschen Leuten ein, nahm Bankkredite auf, die er irgendwann nicht mehr bedienen konnte, versuchte sogar, das Geschäft mit dubiosen Privatdarlehen zu retten. So geriet er nicht nur in eine finanzielle Schieflage, sondern auch in eine soziale Abwärtsbewegung, begann zu trinken, vernachlässigte die Kneipe; vor lauter Verzweiflung stand er eines Tages mit einem Revolver in der Hand vor einem Bankschalter. Zwei Tage später wurde er geschnappt, vier Monate darauf zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt.
Seit drei Jahren ist er wieder ein freier Mensch, allerdings lebt er nach seiner Privatinsolvenz sehr bescheiden. Den sozialen Anschluss hat er aber nicht wieder gefunden, welcher Arbeitgeber nimmt schon einen ehemaligen Insolvenzverschlepper und Bankräuber, der zudem ein massives Alkoholproblem hat. So ist als Unterschlupf nur das Männerwohnheim geblieben. Der von ihm behördlicherseits erwartete »Veränderungswille« ist indes nicht zu erkennen, Rüdiger lebt in den Tag hinein, es gibt keine Perspektive für jemanden wie ihn. Davon ist er jedenfalls überzeugt. Leben auf dem Abstellgleis. Ein bisschen Abwechslung und Zerstreuung finden er und seine Mitbewohner, wenn der DVD-Player eingeschaltet wird.
Der langhaarige Mann zieht sich an, verlässt das Zimmer und will Bier holen, um das ihn seine Freundin gebeten hat, die im Bett liegen geblieben ist, nackt. Die beiden hatten Sex. Der Mann geht die Treppe hinunter in die Küche. Ihm folgt unbemerkt der Junge mit der Clownsmaske. Er hat einen silberfarbenen Baseballschläger in der rechten Hand.
Im Kühlschrank findet der Mann aber kein Bier, sondern in Papier eingewickelten Schinken. Er setzt sich an den Tisch, nimmt zwei Scheiben Toastbrot und legt den Schinken dazwischen. Von hinten nähert sich plötzlich der Junge mit der Maske. Der Mann bemerkt ihn nicht, seine ganze Aufmerksamkeit gilt dem Schinkensandwich.
Der Junge stellt sich hinter den Mann, zögert einen Moment. Dann umfasst er mit seinen blutverschmierten Händen den Baseballschläger, holt aus und schlägt dem Mann mit großer Wucht auf den Kopf. Das Opfer fällt auf den Fußboden, es ist wehrlos. Die Füße des Mannes zucken. Der Junge schaut zu, wie sich das Opfer vor Schmerzen windet. Dann schlägt er wieder zu. Ein zweites Mal. Immer wieder. Dabei schreit der Junge unentwegt. Auf dem Fußboden breitet sich Blut aus. Dann ist es vorbei. Der Junge läuft durch die große Blutlache und verlässt die Küche.
Roman denkt und fühlt ähnlich wie Rüdiger. Der 35-Jährige steht – soweit er sich erinnern kann – schon immer auf der Schattenseite des Lebens: Als jüngstes von vier Kindern, zwei Jungen und zwei Mädchen, wird er in einer hessischen Kleinstadt geboren. In der Großfamilie findet er sich nicht zurecht, die emotional kühle Mutter beachtet ihn kaum, vom strengen Vater fühlt er sich erniedrigt und gedemütigt, wenn er gemaßregelt und auch geschlagen wird. Roman ist ein sehr ängstliches, unsicheres und zurückhaltendes Kind. Er findet auch bei seinen Altersgenossen kaum Anschluss.
Bereits mit elf Jahren raucht er. Der Junge will damit die eigene Unsicherheit überspielen und seinen Klassenkameraden imponieren, die ebenfalls paffen. Später nimmt er Drogen, erst Haschisch, dann Heroin. Roman verliert sich zunehmend im Drogenrausch oder Tagträumen und fliegt schließlich von der Schule. Er wechselt auf eine weiterführende Berufsschule. Dort gelingt ihm wenigstens mit Mühe der Hauptschulabschluss. Anschließend beginnt er eine Ausbildung zum Schmied,
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