Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)
den Rücken, stützt sich mit den Armen ab, will aufstehen. Wieder ein Schlag, diesmal ins Gesicht. »Dich mach ich fertig!«, brüllt das Opfer. Noch ein Schlag. »Bitte, hör auf! Hör auf, bitte!« Der Junge mit der Maske holt weit aus und schlägt zu. Stöhnen. Schreie. Das Opfer ist jetzt kampfunfähig und versucht, mit letzter Kraft wegzukriechen. Der Junge mit der Maske folgt ihm langsam.
Wieder wird das Opfer von Schlägen getroffen, diesmal am Gesäß, im Rücken. Das Opfer rollt sich über den Boden und versucht verzweifelt, dem Angreifer zu entkommen, fleht um Gnade: »Bitte!« Die Antwort sind weitere Schläge. Das Gesicht des Opfers ist inzwischen blutverschmiert. Der Angreifer lüftet seine Maske: pausbackiges Gesicht, lange, strähnige, blonde Haare, kalter Blick, triumphierend, erbarmungslos. »Bitte hör auf. Es tut mir leid!« Das Opfer weint, die Augen sind weit aufgerissen. »Bitte tu mir nicht weh!«
Der Junge mit der Maske beobachtet das leidende Opfer ausgiebig. Dann zieht er das künstliche Clownsgesicht langsam wieder vor seine Augen und holt aus. »Nein! Nein!« Das Opfer bettelt um Gnade. »Nein!« Mit großer Wucht ausgeführte Schläge verletzen den Jungen schwer. »Nein!« Schließlich hört man nur noch das Gekreische des Jungen mit der Maske. Nach unzähligen Hieben stirbt das Opfer Augenblicke später. Der Junge mit der Maske steht daneben, bewegungslos, beobachtend. Schließlich wirft er den Ast weg und geht.
Roman suchte genau diese DVD aus. Es ist sein Zimmer, in dem er mit Rüdiger fernsieht, und er mag Filme, in denen es zu Gewalttätigkeiten kommt, Blut fließt, Menschen grausam getötet werden. Rüdiger hingegen steht eher auf Western, besonders wenn John Wayne mitspielt. Sein Lieblingsfilm ist »The Shootist – der letzte Scharfschütze«, in dem John Wayne einen an Krebs erkrankten ehemaligen Revolverhelden gibt, der am Ende des Films nach einem wilden Showdown den Tod findet.
Rüdiger lernte Roman vor zweieinhalb Jahren kennen, als er in das Männerwohnheim gezogen ist. Die Sozialunterkunft liegt direkt in einem Gewerbegebiet, etwa 500 Meter von der Autobahn entfernt. In dem heruntergekommenen und baufälligen dreigeschossigen Gebäude leben bis zu 24 Männer, darunter viele mit Migrationshintergrund. Die meisten Bewohner beziehen Hartz IV oder Sozialhilfe.
Die mit schlichtem und teils abgewetztem Mobiliar aus den 1980er Jahren eingerichteten Einzelzimmer sind zwölf Quadratmeter groß und haben Kabelanschluss. Auf jeder Etage gibt es eine Gemeinschaftsdusche mit Toilette und eine Küche. Auf den Fluren reiht sich Tür an Tür, die Farbe blättert von der Decke, auf den teilweise beschädigten Bodenfliesen klebt ein dicker Schmierfilm. Manchmal liegt der Geruch von Haschisch oder Crack in der Luft. Einige der Bewohner sind drogenabhängig. Alkoholexzesse finden nahezu täglich statt. Regelmäßig fährt die Polizei Einsätze, wenn es unter den Bewohnern Streit gibt, der mit Fäusten ausgetragen wird. Oder mit Knüppeln, Baseballschlägern, Messern. In den letzten zwei Jahren sind sechs der Heimbewohner gestorben. Wer sein Leben hier verbringen muss, ist ganz unten angekommen.
Ab etwa 20 Uhr sind Roman und Rüdiger zunächst mit zwei anderen Männern aus dem Wohnheim zusammen gewesen. Man hat im Gemeinschaftsraum reichlich Bier und Wodka getrunken, ferngesehen, palavert, geraucht, Karten gespielt. Zu Handgreiflichkeiten ist es dieses Mal nicht gekommen. Gegen 23.30 Uhr sind zwei Männer müde geworden und haben sich verkrümelt. Weil Rüdiger noch ziemlich aufgedreht gewesen ist, hat er Roman gefragt, ob er noch mit auf sein Zimmer kommen dürfe. Widerwillig hat Roman eingewilligt. Jetzt ist es weit nach 2 Uhr, die beiden Männer halten sich an ihrer Flasche Bier fest und starren auf den Bildschirm.
Der Junge mit den langen, blonden Haaren sitzt einen Moment in der Küche, steht dann auf und nimmt aus einer Schublade graues Paketklebeband und ein Messer heraus. Danach geht er ins Wohnzimmer, wo sein Vater in einem Sessel sitzt, schlafend. Er legt das große Küchenmesser auf einem Stuhl ab und beginnt damit, seinen Vater mit dem Klebeband zu fesseln und zu knebeln. Sein Blick ist verächtlich.
Schließlich ist der Körper des Vaters nahezu komplett mit Klebeband umwickelt. Der etwa 50 Jahre alte Mann ist nun wehrlos. Der Junge zieht seine Clownsmaske vor das Gesicht und beobachtet den schlafenden Vater noch eine Weile. Plötzlich Stimmen! Der Junge geht zum
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