Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)
Gefängniszelle »in vollen Zügen«, er werde mit Nahrungsmitteln versorgt, müsse sich darum nicht mehr kümmern. Allein, dass jeden Morgen die Tür aufgesperrt werde, sei ihm unangenehm.
Roman Stadler verneinte während der psychiatrischen Begutachtung und der Hauptverhandlung stets beharrlich, aus Mordlust gehandelt zu haben. Allein den ihn vernehmenden Kriminalbeamten gegenüber äußerte er sich anders, wie viel Freude es ihm bereitet habe, »den Mann abzustechen«. Hat Roman Stadler vielleicht doch maßlos übertrieben und eine Motivation vorgeschoben, die ihm wesensfremd ist? Die gar nicht zu seiner Lebenssituation passt? Die auch nicht mit den Rahmenbedingungen zur Tatzeit in Einklang zu bringen ist? Wollte er sich den Ermittlern gegenüber nur in einem besonders grellen Licht präsentieren und Eindruck machen? Alles Angeberei?
Will man diese Frage seriös beantworten, müssen alle äußeren Umstände der Tat, insbesondere aber das Täterverhalten, gewürdigt werden. Roman Stadler hat gewiss kein gewöhnliches Tötungsdelikt verübt, sondern ein außergewöhnliches. Für diese Annahme sprechen folgende Aspekte: Dem Opfer wurde eine Vielzahl von Verletzungen zugefügt, die nicht geeignet waren, um es zu töten; der Tötungsakt erfolgte nicht pragmatisch und binnen kurzer Zeit, sondern wurde immer wieder hinausgezögert; der Täter legte bewusst Pausen ein, um den Todeskampf des Opfers beobachten zu können; die Vorgehensweise des Täters war ausgesprochen grausam, menschenverachtend und lässt eine hohe Emotionalität erkennen; es wurde nicht einmal der Versuch unternommen, die Tat zu vertuschen und das Opfer zu entsorgen; der Täter gab sich den übrigen Mitbewohnern unmittelbar nach der Tötung als Täter zu erkennen; um die Tötung gegenüber dem Zeugen zu beweisen, stach er nochmals in den toten Körper hinein – breit grinsend.
Dieses Verhalten macht deutlich, dass es dem Täter primär darum ging, den Tötungsakt zu gestalten, um ihm eine besondere emotionale Gratifikation abzugewinnen. Zudem unterließ Roman Stadler Handlungen, die er ohne weiteres hätte realisieren können und motivisch in eine andere Richtung weisen würden: Das Opfer wurde nicht beraubt, nicht missbraucht, nicht gefoltert. Auch gibt es keine Hinweise darauf, dass andere Motivationen wie Neid, Rache, Wut oder Hass entscheidungserheblich gewesen sein oder das Verhalten des Täters maßgeblich beeinflusst haben könnten. Und der Täter blieb seiner unmittelbar nach der Tat gezeigten inneren Handlungsstruktur treu, als er auch später der Kripo gegenüber bereitwillig von seiner Mordlust erzählte und dabei authentisch wirkte.
Das Gericht hat demnach zu Recht bei Roman Stadler Mordlust angenommen. Allerdings ist ungeklärt geblieben, warum ausgerechnet Rüdiger Neitzel zum Opfer wurde. Warum gerade an diesem Ort und zu dieser Zeit?
Der Horrorstreifen Halloween könnte der Schlüssel für dieses maßlose Verbrechen sein, weil Roman Stadler sich diesen Film vor und auch noch während der Tat anschaute. Allerdings erscheint die Annahme dieser Kausalität nur dann gerechtfertigt, wenn sich aus dem Film Parallelen zu Roman Stadlers Tatverhalten ergeben und weitere Aspekte erkennbar werden, die grundsätzlich geeignet sind, zu einer Tat aus Mordlust zu inspirieren.
Die Ausgangssituation des Films: Der sechsjährige Michael Myers lebt in einer fünfköpfigen Problemfamilie, er wird insbesondere vom Vater seelisch gedemütigt und von der älteren Schwester gehänselt und missachtet. Auch in der Schule findet er keinen Anschluss, sondern muss als Prügelknabe herhalten. Der Junge ist ein typischer Außenseiter, der sowohl in der Familie als auch sonst gemieden wird und unter dieser Ausgrenzung leidet.
In einer ganz ähnlichen Lebenssituation befand sich Roman Stadler, bevor er Rüdiger Neitzel tötete: keine Arbeit, keine Freunde, keine Freude. Auch er stammte aus verwahrlosten Familienverhältnissen und litt unter Einsamkeit. Er selbst drückte sich in diesem Zusammenhang so aus: »Das Leben hat mich verarscht. Ich war immer der Arsch.« Insofern könnte der fiktionale Charakter des Michael Myers Roman Stadler durchaus vertraut vorgekommen sein und als Identifikationsfigur gedient haben, weil der Junge sich der eigenen Stigmatisierung irgendwann widersetzt und nur noch nach eigenen Vorstellungen und Regeln handelt: Ich bin die Welt.
Eine weitere Parallele: Michael Myers wird nach der Ermordung des Klassenkameraden, des Vaters und
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