Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)

Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)

Titel: Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
Vom Netzwerk:
handeln, wäre dieser im sozialen Umfeld des Opfers zu suchen.
    Die Stoßrichtung der Ermittlungen zielt also zunächst auf Christophers Familie, Freunde, Bekannte. Und weil man am Leichnam auswertbare DNA-Spuren fand, die zweifelsfrei nicht vom Opfer stammen, werden alle Angehörigen und Bekannten des Jungen gebeten, eine Speichelprobe abzugeben. Alle kommen sie ins Präsidium, und alle können nach und nach als Spurenleger ausgeschlossen werden. Sackgasse.
    Trotzdem sind die Ermittler davon überzeugt, dass es zwischen Täter und Opfer eine Vorbeziehung gegeben haben muss. Denn Christopher Mangels war nicht nur ein leistungsstarker, sportlicher, hilfsbereiter und beliebter Schüler, der sich auch in der Kirchengemeinde engagierte und davon träumte, eines Tages Profifußballer zu werden, nein, es gab auch eine Veranlagung, für die er sich schämte, die vermeintlich dunkle Seite: seine Homosexualität.
    Niemand in seiner Heimatstadt durfte erfahren, dass er sich zu Männern hingezogen fühlte. Deshalb war Christopher Stammgast in einem Internetcafé, verbrachte dort viele Stunden in einschlägigen Chatrooms, nannte sich »Roonix«, schrieb Mails an andere Schwule, verabredete sich, ließ sexuelle Kontakte zu, verlangte mitunter Geld dafür. Der junge Mann führte fraglos ein Doppelleben, das ihm niemand zugetraut hatte, von dem niemand etwas wusste.
    Fluchtpunkt Internet und Ansatzpunkt für diesen Fall. Hat Christopher seinen Mörder in den unendlichen Weiten des World Wide Web kennengelernt? Verbirgt sich der Täter hinter einem Pseudonym und zwischen den Zeilen irgendwo da draußen? Surft er jeden Tag zu jeder Zeit durchs Netz, stets in der Hoffnung, auf jemanden zu stoßen, der bereit ist, sich mit ihm auszutauschen? Sich auf ihn einzulassen? Der ihm seine Lügen abnimmt? Der keinen Verdacht schöpft? Der bereit ist, die digitale Welt zu verlassen und ihm in der wirklichen Welt gegenüberzutreten? Der ihm schließlich zum Opfer fällt? Wie viele Opfer gibt es bereits?
    Um diese Frage zu klären, forschen jeden Tag Experten der Kripo nach Hinweisen, wo Christopher überall herumsurfte, wo er digitale Spuren hinterließ, auf welcher Schwulenplattform er den Mörder kontaktiert haben könnte. Allerdings ist den Fahndern durchaus bewusst, dass ihre Nachforschungen auf Hypothesen beruhen – Irrtum inbegriffen.

    324 ernstzunehmende Hinweise, aus denen sich 226 Spuren ergeben haben; 228 Vernehmungen von Zeugen und Verdächtigen; 38 Speichelproben, die ausgewertet worden sind – die Ermittler lassen nichts unversucht, um dieses besonders abscheuliche Verbrechen möglichst schnell aufzuklären. Denn allen ist bewusst: Der Täter könnte längst auf der Suche nach einem neuen Opfer sein. Oder es bereits gefunden haben.
    Als sich partout kein Erfolg einstellen will, wird der Fall bei »Aktenzeichen XY ungelöst« vorgestellt. Die Ermittler wollen die Chance nutzen, um bundesweit auf den Mord an Christopher aufmerksam zu machen. Vielleicht erkennt jemand eine Person auf dem Phantombild wieder, das den letzten Begleiter des Jungen zeigt. In den Tagen nach der Sendung gehen insgesamt 38 Hinweise bei der Kripo ein, doch eine heiße Spur ergibt sich daraus nicht.
    Drei Wochen später. Horst Jonat wurde bereits von der Kripo als Zeuge vernommen, weil er bekanntermaßen homosexuell ist und der örtlichen Schwulenszene angehören könnte. Die Beamten wollten kürzlich von dem 42-jährigen Metallarbeiter mehr über eine Welt erfahren, die sie nicht kennen, zu der sie auch ohne weiteres keinen Zugang finden. Weiterhelfen konnte Horst Jonat den Ermittlern jedoch nicht, weil es in der Stadt gar kein Homosexuellenmilieu im engeren Sinne gibt, kein Netzwerk mit einem speziellen Verhaltenskodex, eben nur lose Kontakte.
    Dennoch hat ihn die schreckliche Sache mit Christopher nicht losgelassen. Wieder sitzt er vor dem PC und surft durchs Internet, steuert Seiten an, die auch von Schwulen aus der Region besucht werden, um Gleichgesinnte kennenzulernen und Kontakte anzubahnen. Schließlich stößt er auf ein virtuelles Refugium für homosexuelle Leder-Fetischisten, registriert sich, durchstöbert wenig später den Chatroom und das Diskussionsforum, schaut sich dabei auch Fotos an, die einzelne User von sich eingestellt haben. Bei einem dieser Bilder stutzt er: Es zeigt einen korpulenten Mann mit nackenlangen, dunklen Haaren, der breitbeinig mit halbgeöffneter Lederjacke auf einem Dachboden steht und mit Handschellen vor der Brust

Weitere Kostenlose Bücher