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Aus reiner Notwehr

Aus reiner Notwehr

Titel: Aus reiner Notwehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Young
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dir denken.”
    Sam hielt ihre Hände. “Was Wunder, dass deine Emotionen sozusagen durchgeschmort sind! Der Mann deiner ältesten, besten Freundin wurde ermordet. Der Tod kann unserer mentalen Balance ziemlich übel mitspielen!”
    Sie merkte erst, dass sie am ganzen Leibe zitterte, als er beruhigend ihre Arme streichelte, als seine Hände warm und behutsam auf und ab fuhren. Sie verschluckte ein Keuchen, Erschöpfung und Verwirrung drohten sie zu überwältigen, und ein unsicheres Lachen entrang sich ihren Lippen. “Das ist doch alles grotesk!”, sagte sie, presste beide Hände auf den Mund und schaute ihn an.
    “Ach, komm her, mein Kleines!” Sam stand vom Stuhl auf und nahm sie in die Arme. Es schien ihm nichts auszumachen, dass sie nicht in seine Umarmung verschmolz, dass sie die geballten Fäuste zwischen ihre Leiber hielt, dass ihr Körper sich sträubte. Dennoch ging ihr durch den Kopf, wie wunderbar es wäre, sich einfach gehen lassen zu können, einfach andere diejenigen sein zu lassen, die Stärke beweisen müssen. Aber auch wie riskant – denn diesem Mann war nicht zu trauen. Oder doch?
    Er drückte ihren Kopf an seine Brust und begann mit einer nachdenklichen Analyse. “Es muss hier eine Art Mechanismus vorliegen, etwas, das diesen Mechanismus in Gang setzt, was diese Bild- und Klangfetzen aus den Gewölben deines Gedächtnisses hervorholt.”
    Seine sonore Stimme war nur zu verführerisch. Was konnte so schlimm daran sein, etwas Trost in zwischenmenschlichem Kontakt zu finden? Es musste ja nicht gleich lebenslange Verpflichtung bedeuten! Sie seufzte auf, ließ ihre Arme um seine Taille gleiten und lehnte sich eng an ihn, vernahm seinen ruhigen Herzschlag, roch den Duft seines Eau de Cologne, spürte die kraftvolle Muskulatur seiner Oberschenkel und bemerkte plötzlich, dass sie sich beide wie in einem ganz, ganz langsamen Tanz wiegten. Und sie hätte lange, lange so verharren mögen.
    “Sam, es ist nicht nur Stress.” Sie löste sich von ihm – ungern, wie sie sich eingestand –, zog ihren Arztkittel aus und hängte ihn an einen Kleiderständer. “Ich weiß das deshalb so genau, weil ich, wie du bereits angedeutet hast, an den Attacken eine Gemeinsamkeit festgestellt habe.” Sie schilderte ihm die Unterhaltung mit Pamela am Gartenteich im Detail. “Diese Gemeinsamkeit ist Gewalt. Und sie scheint mir ganz extrem zuzusetzen, wenn es sich um Gewalt gegen Frauen oder Kinder handelt.” Wieder sah sie ihre Hände an. “Wenn mir eine Frau gegenübersteht, die misshandelt worden ist, dann weiß ich weder aus noch ein.”
    “Augenblick! Was genau hat das mit Amber und Deke zu tun? Du willst doch nicht andeuten, dass bei ihrer Beziehung Gewalt und Misshandlung im Spiel waren?”
    “Doch. Amber hat es mir selber gesagt. Und ich hatte die Indizien ja vor der Nase, bevor sie es überhaupt zugab, nur war ich zu blöd, zwei und zwei zusammenzuzählen. Am Tag vor ihrem Auftritt hatte sie ein Hämatom am Unterarm – in der Notaufnahme nannten wir so etwas ’schutzabdrücke’, wenn die Opfer mit den Armen oder Händen Schläge abwehren. Amber verharmloste es, deshalb beließ ich es dabei. Wie konnte ich nur so blind sein! An dem Abend, an dem er starb, hat Deke sie dann richtiggehend zusammengeschlagen. Wir hatten wohl recht seinerzeit, als wir vermuteten, er würde sich mit der zweiten Geige nicht abfinden. Das alles erzählte sie mir dann auf der Fahrt nach Hause, sie sagte, sie habe die Nase endgültig voll und wolle sich das nicht mehr länger bieten lassen.”
    “Mein lieber Scholli!” Sam stemmte die Fäuste in die Hüften. “Das könnte aber unangenehm für Amber werden, wenn sie dich vernehmen! Sie wäre schließlich nicht die Erste, die genug hat und ihren Peiniger umbringt.”
    “Ich
bin
bereits vernommen worden. Genau das wollte Pamela ja besprechen. Sie weiß ziemlich gut Bescheid über Sam und hat Krankenhausberichte ausgebuddelt, da stünden Amber die Haare zu Berge, wenn die publik würden. Ihrer Karriere täte das alles andere als gut, schließlich ist sie gerade drauf und dran, einen Traumauftrag von einer Kaufhauskette an Land zu ziehen.”
    Sam saß in Gedanken vertieft auf der Schreibtischkante. “Hat Pamela geäußert, dass sie Amber für die Täterin hält?”
    “Nicht konkret, aber der Schluss liegt doch nahe, wenn sie entdeckt, dass Amber jede Menge Gründe hatte, ihn loswerden zu wollen. Und als Kriminalistin ist sie verflixt scharfsinnig! Gestern Abend haben meine

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