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Aus reiner Notwehr

Aus reiner Notwehr

Titel: Aus reiner Notwehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Young
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Taschen nach einer Zigarre und liebkoste sie förmlich mit den Fingern. Nach einiger Zeit sagte er: “Vicky, ich muss gehen. Kate wird nach Hause wollen, und ich möchte Stephen und Amber nicht gern allein lassen. Außerdem wird es Zeit, dass du dich hinlegst. Du bist erschöpft.”
    “Ja, ich bin müde.” Victoria strich den Seidenkaftan über den Knien glatt und lächelte gezwungen. “Ach, ich weiß, ich mache mir zu viel Sorgen. Leo, ich bin eine solche Belastung für dich!” Sie fasste sich an die Wange und wirkte schwach und hilflos. “Das Leben kann so schnell zerbrechen, nicht wahr?”
    “Durchaus. Aber nicht das, was zwischen uns beiden besteht.”
    Sie betrachtete sein Gesicht. “Nach allem, was du meinetwegen durchmachen musstest – wie kannst du das sagen?”
    Er sah sie leise lächelnd an, steckte die Zigarre ein, setzte sich zu ihr und nahm ihre Hand. “Dreiunddreißig Jahre, in denen du mir Freundin, Gefährtin und auch Trost gewesen bist, in denen wir gemeinsam die Höhen und Tiefen unserer Mädchen geteilt haben, in denen du mein Leben unendlich bereichert hast. Das musste ich deinetwegen durchmachen, Vicky, und ich bereue nicht eine Minute.”
    Sie hob die Hand zu seinem Gesicht, ließ sie über seine Wange gleiten, über sein Kinn mit der immer noch kräftigen Kerbe. “Ich habe in letzter Zeit oft daran gedacht. Du weißt schon.”
    “Lass die Vergangenheit ruhen, Vicky. Sie ist vorbei.”
    “Nicht für mich. Kates Rückkehr hat die Schatten wieder auferstehen lassen.”
    “Mach dir keine Sorgen um sie.”
    “Hätte ich doch dein Vertrauen, Leo!”
    Er küsste flüchtig ihre Stirn. “Ich gäbe dir mehr als Vertrauen. Du müsstest es nur wollen.”
    Sie lächelte. “Noch immer die gleichen Worte, Leo? Wirst du ihrer nie überdrüssig?”
    “Nie!”
    “Du weißt, dass ich nicht kann, Liebster.” Ihr Lächeln erstarb.
    “Es spielt doch keine Rolle mehr”, antwortete er heftig. “Es hat für mich auch nie eine Rolle gespielt!”
    “Ich weiß.” Sie hob ihrer beider Hände an die Lippen. “Und dafür werde ich dich immer lieben.”

29. KAPITEL
    “T ag, Kate. Kann ich dich kurz sprechen?”
    Sam stand bereits in ihrem Büro, eine Krankenakte unter dem Arm, als Kate langsam ihren Blick vom offenen Fenster löste, sich auf ihrem Drehstuhl herumgleiten ließ und auf einen Stuhl wies. “Klar, setz dich doch!”
    Er machte die Tür zu, nahm vor ihrem Schreibtisch Platz und zeigte auf das Fenster. “Du sitzt hier jetzt schon eine Viertelstunde und studierst die Aussicht. Ich unterbreche doch hoffentlich keine landschaftsarchitektonischen Entwürfe für den Parkplatz?” Sein Lächeln wirkte etwas gezwungen. “Dann versuche ich’s später noch mal!”
    Ihre Antwort klang abwesend, als sei sie mit den Gedanken anderswo. “Nein, nein, ich hab nur nachgedacht.”
    “Du machst dir Sorgen um Amber, was?”
    “Um alle – um meine Mutter, um Leo, um Stephen, um Amber natürlich auch.” Und um
mich.
    Seine Miene nahm einen mitfühlenden Ausdruck an. “Da hast du dir ganz schön was eingebrockt, als du von Boston weggegangen bist, was?”
    “Das ist genau einer der Gedanken, die du gerade unterbrochen hast.” Mit einem etwas ironischen Gesichtsausdruck verschränkte sie ihre Finger und legte die Hände gefaltet vor sich auf einen Stapel Krankenblätter, zu deren Bearbeitung sie noch nicht gekommen war. Sie befand sich in einer Art Teufelsdreieck zwischen Ambers misslicher Lage, der ganz offensichtlich nachlassenden Kraft ihrer Mutter und ihrer Selbstauflösung als Medizinerin, und allmählich stellte sie sich die Frage, ob die Rückkehr nach Bayou Blanc diese katastrophale Entwicklung nicht noch beschleunigt hatte.
    “Wie wird denn deine Mutter mit dieser ganze Sache fertig?”, wollte Sam wissen.
    “Nun, sie macht sich große Sorgen, weil Amber offenbar als Hauptverdächtige in dem Mordfall gilt. Ich selber wundere mich nicht über Mutters Reaktion; Amber hat ihr immer schon besonders am Herzen gelegen, aber zusätzlich ist sie natürlich besorgt darüber, wie das Ganze auf Leo durchschlägt. Übrigens, wann hat Leo sich eigentlich das letzte Mal gründlich untersuchen lassen? Er kam mir während der Beerdigung sehr müde und ausgebrannt vor.” Kate sah kurz ihre Finger an. “Unter den gegebenen Umständen ist das nicht weiter verwunderlich, aber dir ist sicher auch aufgefallen, wie grau sein Gesicht war, und er schien ziemlich wackelig auf den Beinen, oder?”
    “Stimmt. Ich

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