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Aus reiner Notwehr

Aus reiner Notwehr

Titel: Aus reiner Notwehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Young
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Anfälle sie noch ablenken können, sodass sie augenblicklich nicht das komplette Bild besitzt. Aber das kommt sicher noch. Denk an meine Worte!”
    “Und was meinst du?”
    Sie hob Handtasche und Autoschlüssel vom Boden auf. “Du wirst mich ja sowieso für nicht neutral halten. Nein, ich glaube nicht, dass Amber ihren Mann erschossen hat. Sie hatte zwar allen Grund, und jegliches Gefühl in ihrer Ehe war schon lange abgestorben, sie war auch furchtbar verbittert und wütend. Sie versuchte jedoch nur, ihn loszuwerden, ohne dass dabei gleichzeitig alles, was sie sich erarbeitet hat, den Bach hinunterging.”
    “Ist dir klar, dass du gerade eine überzeugende Beweisführung für eine Verurteilung aufgrund von Indizien konstruiert hast?”
    “Durchaus. Aber sie war’s nicht. Sie kann so etwas nicht.”
    Sam sog scharf die Luft ein. “Mal abgesehen von Ambers Problemen – hast du denn eine Vorstellung, was das alles mit deinen Flashbacks zu tun haben mag?”
    Sie breitete in völliger Ahnungslosigkeit die Arme aus. “Nicht die geringste.”
    Das Klingeln des Telefons ließ sie zusammenzucken. “Sollen wir abheben?”, fragte Kate beim dritten Läuten. Nach Dienstschluss nahm ein Antwortservice alle Anrufe entgegen, aber offensichtlich hing jemand in der Servicevermittlung seinen Tagträumen nach.
    Sam griff nach dem Hörer. “Sam Delacourt. Ja, sie ist hier.” Er sah Kate an, reichte ihr jedoch nicht den Hörer, lauschte eine Zeit lang, und seine Stimme bekam einen knappen, befehlsmäßigen Klang. “Lassen Sie Vince Morrison kommen. Genau. Gut. Warten Sie auf uns. Wir sind in drei Minuten bei Ihnen.”
    Kate stand wie angewurzelt, Handtasche und Autoschlüssel in den Händen, und ihr Herz begann dumpf zu hämmern. “Ist etwas mit Mutter?”
    “Nein.” Sam durchsuchte seine Hosentaschen nach den Wagenschlüsseln, während er das Licht ausschaltete. “Leo. Er ist bereits im Krankenhaus.”
    Entsetzt starrte sie ihn an. “Was ist mit ihm?”
    “Herzanfall.” Er geleitete sie hinaus und schloss die Tür. “Komm, ich fahre.”

30. KAPITEL
    “S am, ich möchte nicht die Behandlung übernehmen, in keiner Weise! Also bitte mich nicht darum!” Kate stieg aus dem Wagen und schlug die Tür zu.
    “Dies ist keine Bitte”, erwiderte Sam. “Dies ist eine Anweisung.” Seine Hand schloss sich fest um ihr Ellbogengelenk, und dann führte er sie durch den Ärzteeingang zum Personalaufzug. “Möglicherweise brauchst du gar nicht einzugreifen”, fügte er hinzu und drückte auf den Knopf. “Aber Vince Morrison ist nicht zu erreichen, und der Assistent, der gerade Bereitschaft hat, verfügt nicht über einen Bruchteil deiner Erfahrung. Und was
mich
angeht, für mich gilt das Gleiche – du kennst dich mit Herzinfarkten erheblich besser aus. Also, mit dir hätte Leo das große Los gezogen, wenn es tatsächlich ein Infarkt sein sollte. Du tust jetzt einfach das, was getan werden muss, basta!”
    Kate zitterte am ganzen Körper, während der Fahrstuhl sich mit einem solchen Ruck in Bewegung setzte, dass ihr der Magen in die Kniekehlen sackte. Sam hatte gut reden, fühlte nicht diese bösen Vorahnungen, denn er verfügte ja nicht über sämtliche Fakten. Auf dem Weg zum Krankenhaus hatte sie keinen klaren Gedanken fassen können – nur eins ging ihr ständig durch den Kopf: das Desaster mit Joseph Carmello. Sie schloss die Augen und schickte ein Stoßgebet gen Himmel:
Lieber Gott, lass Vince Morrison schnell kommen!
    “Sam, ich habe Angst”, flüsterte sie.
    “Ich auch”, antwortete er, um dann sacht hinzuzufügen: “Du schaffst es, Kate. Hier liegt der Mann, dem du deine medizinische Laufbahn zu verdanken hast. Leo würde dir bedenkenlos sein Leben anvertrauen.”
    “Und genau deshalb wollte ich fort von der Notfallmedizin”, erwiderte sie und umklammerte fröstelnd ihren Oberkörper. “Wenn ihm etwas passiert … Wenn Leo …” Ihre Stimme wurde unsicher. “Ich könnte es mir nie verzeihen.”
    “Los jetzt! Du verschwendest kostbare Energie mit deiner Schwarzmalerei. Es wird nichts passieren! Mein Gott, das sieht ja aus, als traute ich dir mehr zu als du dir selbst!” Die Türen des Lifts glitten auseinander, er nahm wieder ihren Arm und geleitete sie hinüber zum Eingang der kardiologischen Abteilung.
    Sie sah Leo sofort, erkannte sogleich, dass er bei Bewusstsein war und grässliche Schmerzen haben musste. Neben seinem Bett standen zwei Krankenschwestern und ein junger Assistenzarzt, der erleichtert

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