Aus reiner Notwehr
auf nahezu unwirkliche Weise immer noch jede Einzelheit jenes dramatischen Tages, das Entsetzen, das Leugnen, den emotionalen Verlust, den er in solcher Fülle mit sich gebracht hatte. Aber es war auch der Tag gewesen, an dem Sam ihr einen Heiratsantrag gemacht und sie davon überzeugt hatte, dass es an der Zeit war, den Termin für die Trauung festzulegen.
Er musste seinerzeit in all dem Chaos gespürt haben, dass sie sich nach etwas Solidem sehnte, nach etwas, das ihr Hoffnung und Vertrauen vermittelte, das ihr Halt gab, nachdem ihre Welt bis in die Grundfesten erschüttert worden war. Bereits einen Monat später waren sie verheiratet und in Victorias Haus gezogen, das seit ihrem Tod zwar in erster Linie Kate gehörte, in Wirklichkeit aber ihnen allen: Kate und Sam und Mallory. Kate wusste, das hätte ihrer Mutter wunderbar gefallen.
“Also, eins muss man ihr lassen”, gab Sam beeindruckt zu. “Eine Frau wie Amber landet immer wieder auf den Füßen – komme, was da wolle.”
“Wahrscheinlich hat man schon vergessen, dass sie die Gattin von Deke Russo war”, bemerkte Kate.
“Aus den Augen, aus dem Sinn”, kommentierte Sam. “Auf ein Neues in Los Angeles. Kein Blick zurück im Zorn.”
“Aber denk auch mal an Stephen”, erinnerte Kate ihn sanft. “Für ihn gilt das alles nicht. Ich konnte dir noch gar nicht sagen, dass ich ihn gestern zusammen mit Leo, Mallory und Cody besucht habe. Er befindet sich zwar auf dem Wege der Besserung, ist aber von einer vollständigen Genesung noch sehr weit entfernt. Mir will der Gedanke nicht aus dem Kopf, dass Amber eines Tages für ihr Tun Rechenschaft ablegen muss, aber im Augenblick scheint sie wunschlos glücklich zu sein.”
“Ganz wunschlos nicht. Schließlich hatte sie es auf Nick Santana abgesehen.”
“Und den hat sie nicht bekommen.”
Kate schaltete den Fernseher ab und drehte sich im Bett herum, sodass sie Sam ansehen konnte. “Soll ich dir mal etwas sagen, Sam …?” Für einen Augenblick schienen ihre Gedanken weit in die Ferne zu schweifen. “Als Amber eben in der Show mit Jay Leno sprach, da habe ich versucht, in ihr den Menschen wiederzufinden, mit dem ich aufwuchs. Wir waren beinahe wie Schwestern, doch in Wirklichkeit habe ich sie wohl nie richtig gekannt. Und das ist doch sehr traurig, nicht wahr?”
Sams Finger glitten durch ihr Haar, seine Lippen legten sich auf die ihren. “Denk nicht mehr darüber nach, Liebling”, murmelte er. “Amber hat sich für ihren Weg entschieden, du dich für den deinen. Ich hatte den Eindruck, dass sie heute Nacht in dieser Fernsehsendung glücklich und zufrieden war, aber während ihrer Ehe mit Deke haben wir das auch alle gedacht. Nur: Wie’s drinnen aussah, wissen wir jetzt.”
“Ich hoffe, sie findet innerlich zur Ruhe – trotz alledem.”
“Ja, das wünsche ich ihr auch.” Sam strich ihr eine Strähne hinters Ohr. “Aber wie sagt der Volksmund? ‘Alles kommt, wie es kommen muss.’ Und was waren die letzten Worte deiner Mutter? ‘Bis der Kreis sich schließt.’“
Ein leichter Schauer überlief Kate. Besser nicht, so hoffte sie um ihrer Freundin Amber willen. Auch Victoria hätte bestimmt nur Ambers Wohl gewollt, hätte gewünscht, dass sie dem endgültig entfliehen konnte, so wie sie, Kate, es letztendlich geschafft hatte. Dieser Gedanke erschien ihr wie ein tröstlicher Abschluss, und sie schmiegte sich beruhigt in Sams Arme und hob ihm ihr Gesicht entgegen.
– ENDE –
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