Aus reiner Notwehr
Hat es mit dem Mord zu tun? Hat Escavez …”
“Nein, hat es nicht.”
“Oh la la, wie geheimnisvoll! Aber ich bin noch gar nicht richtig wach,
cher…
obwohl ich von etwas Wunderbarem geträumt habe.”
“Bist du allein?”
“Nein … aber das ließe sich arrangieren …”
“Wie lange brauchst du zum Ankleiden?”
“Nick …”
“Zieh dich an! Ich hole dich ab!”
Er legte auf.
34. KAPITEL
S am und Kate kehrten am frühen Sonntagnachmittag nach Bayou Blanc zurück.
Unterwegs hatten sie Leo einen Besuch abgestattet, Victoria allerdings nicht mehr angetroffen, und Amber war anscheinend überhaupt nicht bei ihm gewesen. Mallory, die das Wochenende bei ihren Großeltern verbracht hatte, wurde gegen siebzehn Uhr erwartet, und sowohl Sam als auch Kate hielten es für angebracht, sie nicht gleich mit ihrer neuen Beziehung zu überfallen. Sie sollte zunächst Gelegenheit erhalten, Kate näher kennenzulernen und auch selbst zur Ruhe zu kommen, nachdem das so lange gehütete Geheimnis nicht mehr auf ihrer Seele lastete.
“Mallory wird schon wieder”, versicherte Sam, als er Kate vor Victorias Haus absetzte. “Bedenkt man, was sie seit dem Tod ihrer Mutter alles durchmachen musste, hält sie sich ganz hervorragend.” Er sah Kate fragend an. “Oder hältst du das etwa nur für Wunschdenken meinerseits?”
Kate, die seine Besorgnis rührend fand, beugte sich zu ihm hinüber, nahm sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn. “Doch, es stimmt”, antwortete sie und öffnete die Wagentür. “Nachdem sie uns damals überraschte, besuchte sie mich tags darauf in der Praxis, und sie war zwar etwas zurückhaltend, aber durchaus freundlich. Bleib sitzen!”, fuhr sie fort, als sie die Beine aus dem Auto schwang. “Du brauchst nicht auszusteigen. Sicher hast du genug zu tun, du warst schließlich das
ganze
Wochenende fort. Ich muss nach Mutter schauen.”
Als sie sich von ihm verabschiedete, hielt er ihre Hand fest und küsste ihre Fingerspitzen. “Wie sieht’s aus mit deiner Entscheidung?”, fragte er. “Hast du’s dir überlegt?”
“Was? Zurück nach Boston? In diese Knochenmühle von Krankenhaus? Auf gar keinen Fall!”
“Ach was, uns beide meine ich damit!”
Sie lächelte. “Nein, es bleibt dabei.”
“Super! Bis morgen!”
Kate sah zu, wie er wendete und davonfuhr, und stieg anschließend die Stufen zur Haustür ihrer Mutter empor. Erst als sie eingetreten war und die Tür leise hinter sich geschlossen hatte, fiel ihr auf, dass ihre Mutter offenbar nicht allein war, und das Lächeln erstarb ihr auf dem Gesicht.
Sie bemühte sich zwar, locker zu bleiben, aber die an Besessenheit grenzende Entschlossenheit, mit der ihre Mutter Tag und Nacht an Leos Bett gewacht hatte, ließ sie nicht unbeeindruckt. Schon ein gesunder Mensch im Vollbesitz seiner Kräfte wäre unfähig gewesen, das lange durchzustehen – bei einer Schwerkranken musste eine solche Belastung über kurz oder lang zum Kollaps führen. Wenn jedoch ihre Mutter noch so viel Energie aufbrachte und um diese Zeit einen Besucher empfing, dann hielt sie sich fürwahr besser, als Kate je zu hoffen gewagt hätte. Nun fehlte eigentlich nur noch eins zu ihrem eigenen Glück und zu einem Neuanfang mit Sam: Sie musste ihr Problem in den Griff bekommen. Allerdings war ihr eins klar: Das würde erst gelingen, wenn jenes Unheil, das sich in den Tiefen ihres Unterbewusstseins verbarg, ans Tageslicht gezerrt werden konnte.
Wie dem auch sei, der heutige Tag gab Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Sam liebte sie, sie liebte ihn, trotz der nicht wenigen Stolpersteine in ihrer gemeinsamen Vergangenheit hatten sie wieder zueinander gefunden. Ihre Stimmung besserte sich zusehends, und fast beschwingt lenkte sie ihre Schritte in Richtung Wintergarten, aus dem die Stimmen drangen, blieb aber wie angewurzelt stehen, als sie Amber vernahm. “Er verabscheut mich, Victoria! Was soll ich nur tun?”
Ihre Freundin saß auf dem Rattansofa, völlig aufgelöst, hysterisch schluchzend, und Kate eilte sofort zu ihr. “Amber! Was hast du? Ist etwas mit Leo? Mein Gott, ich komme doch gerade erst aus dem Krankenhaus! Ist er …?”
“Nein!”, rief Amber, und ihre Stimme wurde lauter und lauter. “Nein, es geht um Nick!”
Entgeistert sah Kate ihre Mutter an. “Nick? Ist ihm etwas zugestoßen?”
“Keine Sorge, niemand verletzt”, erwiderte Victoria. “Aber etwas sehr Unangenehmes ist vorgefallen. Nick hat sich sehr über Amber aufgeregt.”
“Jetzt
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