Aus reiner Notwehr
zuvor war er der Lösung seines Problems auch nicht einen Zoll nähergekommen, und jetzt zahlte er mit einem mächtigen Kater für die Sauferei, zu der ihn im Grunde genau dieses Problem getrieben hatte. Im Gegenteil – es bestand vielmehr die Gefahr, dass ihm der Schädel von den Schultern fiel und in tausend Stücke zerplatzte, wenn Cody nicht mit dem Radau aufhörte.
Nick erhob sich ganz langsam und schlurfte vorsichtig hinüber zur Kaffeemaschine. Komisch, dass Cody das Thema heute aufs Tapet brachte. Er hatte in der Tat an einen zweiten Eheanlauf gedacht. Plusquamperfekt –
hatte gedacht.
Er goss sich eine Tasse Kaffee ein, schluckte drei Aspirintabletten auf einmal und spülte sie mit dem heißen Gebräu hinunter. Träume aufgeben zu müssen war stets ein schmerzhafter Prozess.
“Warum antwortest du mir nicht, Dad? Stimmt irgendwas nicht mit dir? Ist dir schlecht?”
Am liebsten hätte Nick mit einem lauten Stöhnen geantwortet und sich die Augen zugehalten. Mein Gott, was gab er ein miserables Vorbild für den Jungen ab! “Hab gestern wohl ein Glas zu viel getrunken, Cody. Bekloppt, die dämliche Sauferei!”
“Hast du Sorgen?”
“Schon. Aber zerbrich dir nicht den Kopf.”
Cody biss herzhaft in seinen Toast. “Der Mordfall Russo, nehme ich an, was?”, sagte er. “Sieht so aus, als gerieten wir mit in den Strudel, ob wir’s wollen oder nicht. Immerhin ist Stephen mein Kumpel, und du bist Ambers Rechtsanwalt und Freund.” Er stopfte sich den Rest der Scheibe in den Mund und wischte sich die Krümel von den Händen. “Dabei fällt mir ein, Stephen ist ziemlich von der Rolle.”
Nick setzte die Kaffeetasse ab. “Wie kommst du darauf?”
“Dauernd labert er davon, hackt auf dem Chief und diesem Sloan herum.” Er nahm eine Packung mit Orangensaft aus dem Kühlschrank und trank direkt aus dem Karton. “Auf der LaRue auch. Auf die ist er besonders stinkig, weil er meint, die will Amber als Täterin festnageln und andere Verdächtige gar nicht berücksichtigen. Ich habe ihm gesagt, Pamela ist ‘ne coole Braut. Weißt du noch, wie sie uns mal besuchte und wir draußen im Garten aßen? Und verdammt gut drauf ist sie auch, über deinen Job in New Orleans wusste sie ‘ne ganze Menge. Pamela ist viel zu ehrlich, als dass sie an dem Fall irgendwas drehen würde, nur um Beweise zu besorgen, damit die Akte geschlossen werden kann. Das habe ich ihm auch unter die Nase gerieben.”
“Wird sie sicher gern hören, dass du sie in Schutz nimmst.”
Zumindest einer von uns beiden ist ein anständiger Kerl.
Cody stopfte den leeren Saftkarton in den Abfalleimer und klappte vernehmlich den Deckel zu. “Also, Dad, eins kommt mir irgendwie merkwürdig vor. Ich weiß es nicht so genau, aber ich habe das Gefühl, dass Stephen glaubt, Amber war’s. Und er ist total verrückt nach ihr. Völlig abgedreht, weißt du, er verliert seine – wie sagt man noch …”
“Perspektive? Seine Fähigkeit, die Dinge zu sehen, wie sie sind? Seine Objektivität?”
“Ja, genau! Wenn’s um Amber geht, ist er nicht mehr objektiv. Dann verliert er total die Perspektive.” Cody musste lachen und schüttelte amüsiert den Kopf. “Vor ein paar Tagen sagt er mir doch glatt, dass er sie heiratet! Unglaublich, was? Meint, sie lieben sich! Hast du so was Ätzendes schon mal gehört? Die ist doch viel zu alt, na ja, aber so alt wie du, oder? Menschenskinder, sie könnte glatt seine Mutter sein!”
Nick fühlte, wie sich ihm der Magen umdrehte, wie ihm Kaffee und bittere Gallenflüssigkeit hochkamen, und er stand abrupt auf. “Cody, ich muss unbedingt telefonieren!”
“Ist dir nicht gut, Dad? Du bist ganz grün im Gesicht. Du musst doch nicht etwa kotzen?”
Nick fasste sich an den Bauch. “Alles okay. Nur kurz mal telefonieren.”
“Nimm noch ‘ne Aspirin! Ach, und ehe ich’s vergesse: Mallory und ich, wir wollen heute Morgen vielleicht im Pool von Mrs. Madison schwimmen, wenn du nichts dagegen hast.”
“Geht nur. Aber benimm dich ordentlich! Du bist schließlich Gast dort. Und bringt nicht alles durcheinander.”
Nick benutzte nicht das Telefon in der Küche, sondern begab sich in die Garage, holte sein Handy aus dem Wagen, tippte Ambers Nummer ein, vernahm ihre Stimme gleich nach dem ersten Rufton, und knirschte fast mit den Zähnen, als er sie hörte, tief und rau und verlockend, den Himmel auf Erden versprechend. “Ich bin’s, Nick. Ich muss dich umgehend sprechen.”
Sie schien zu zögern. “Was gibt’s?
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