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Auschwitz

Auschwitz

Titel: Auschwitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Rees
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beweisen wollten, daß das, was ich mit eigenen Augen gesehen hatte, was ich in Auschwitz selbst erlebt hatte, ein riesiger Irrtum ist, pure Einbildung, weil es angeblich nicht passiert war.«
    Um jenen, die seine Aussagen anzweifelten, etwas entgegenzusetzen, schrieb Gröning seine Geschichte nieder, die allerdings nur für seine Familie bestimmt war. Er erklärte sich auch bereit, für die BBC ein Interview zu geben. Der über achtzigjährige Gröning hat für die Holocaust-Leugner eine simple Botschaft: »Ich habe die Gaskammern gesehen, ich habe die Krematorien gesehen, ich habe die offenen Feuerstellen gesehen – und ich möchte gerne, daß du mir glaubst, daß diese Schrecklichkeiten passiert sind. Ich war dabei.«
    Was bleibt am Ende dieser tragischen Geschichte? Was bleibt, ist eine Welt, in der die Mehrheit der Täter nicht bestraft wurde und in der die meisten Opfer niemals volle Wiedergutmachung erlangten. Im Gegenteil, viele hatten nach dem Krieg weiterhin unter Vorurteilen und Diskriminierung zu leiden. Dieses düstere Fazit ist schwer zu akzeptieren, widerspricht es doch einem tiefen menschlichen Bedürfnis nach Gerechtigkeit, dem Wunsch, daß die Unschuldigen entschädigt und die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden. Doch die Geschichte bietet uns wenig Tröstliches. Wie kann es Wiedergutmachung geben für all jene, die in der Erde von Birkenau ruhen, von Plünderern durchwühlt und entweiht, dem größten Friedhof der Weltgeschichte? Dieser Ort und die nahe gelegene Weichsel, in die Berge von Asche gekippt wurden, ist die letzte Ruhestätte von mehr als einer Million Menschen, die nie mehr zu Wort kommen werden.
    Es hat auch nicht den Anschein, als hätten jene, die Auschwitz überlebten, Trost, Halt oder irgendeine Art von Ausgleich im Glauben gefunden. Für jede Else Abt, die als Zeugin Jehovas darauf vertraute, daß Gott im Lager bei ihr war, gibt es weit mehr Linda Breders, die sagen: »In Auschwitz gab es keinen Gott. Es war so schrecklich dort, daß er es vorzog, gar nicht erst zu kommen. Wir beteten nicht, weil wir wußten, daß es nichts nützen würde. Viele von uns, die überlebt haben, sind Atheisten. Sie haben einfach kein Vertrauen zu Gott.« Wie viele ihrer Leidensgenossen hat Linda Breder erkannt, daß sie ihr Leben letztlich nur glücklichen Umständen verdankt. Die Auffassung, daß das eigene Leben von Willkür oder dem Zufall bestimmt wird, ist kaum eine Basis für Gottvertrauen.
    Nach aktuellen Schätzungen wurden 1,3 Millionen Menschen nach Auschwitz verschleppt, 1,1 Millionen kamen dort ums Leben. Die überwältigende Mehrheit von ihnen, nämlich eine Million, waren Juden – eine Tatsache, die jenen zu denken geben sollte, die immer noch die kommunistische These vertreten, daß alle Menschen, die in Auschwitz umkamen, »Opfer des Faschismus« waren. Schließlich haben über 90 Prozent der in Auschwitz Ermordeten ihr Leben verloren, weil ihr einziges »Verbrechen« darin bestand, als Jude auf die Welt gekommen zu sein.
    Wenn man sie ihren Herkunftsländern zuordnet, so stammte die größte Gruppe der nach Auschwitz deportierten Juden 31 aus Ungarn (438 000), wo man im Frühsommer 1944 eine fieberhafte Massendeportation durchgeführt hatte. Die zweitgrößte Gruppe stammte aus Polen (300 000), gefolgt von Frankreich (69 114), den Niederlanden (60 085), Griechenland (55 000), der Tschechoslowakei und Mähren (46 099), der Slowakei (26 661), Belgien (24 906), Deutschland und Österreich (23 000), Jugoslawien (10 000) und Italien (7422). Natürlich dürfen wir die Nichtjuden nicht vergessen, die im Lager umkamen: die 70 000 polnischen politischen Gefangenen, die über 20 000 Zigeuner, die 10 000 sowjetischen Kriegsgefangenen, die Hunderte von Zeugen Jehovas; die Homosexuellen und auch jene, die aus einer Vielzahl abstruser Gründe oder aus reiner Willkür ins Lager verschleppt wurden.
    Bald wird sich der letzte Überlebende und der letzte Täter aus Auschwitz zu jenen gesellen, die im Lager ihr Leben ließen. Es wird niemanden mehr geben, der noch eine persönliche Erinnerung an diesen Ort des Schreckens hat. Und wenn dies geschieht, besteht die Gefahr, daß der Holocaust in ferne Vergangenheit rückt und eines von vielen anderen schrecklichen Ereignissen der Weltgeschichte wird. Im Laufe der Jahrhunderte wurden furchtbare Greueltaten verübt, von dem Massaker des englischen Königs Richard Löwenherz an den Muslimen von Akko über die Kreuzzüge bis hin zu

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