Auschwitz
Plakaten.«
Die slowakischen Hlinka-Garden waren die Stoßtrupps bei den judenfeindlichen Aktionen und gingen gegen die Juden in ähnlicher Weise vor wie in Deutschland die SA, und ebenso wie bei diese triefte ihnen der Antisemitismus aus allen Poren. »Die Slowaken haben nur zu gern die [jüdischen] Geschäfte übernommen und sich bereichert«, sagt Michal Kabáč, ein ehemaliges Mitglied der Hlinka-Garde. 32 »Sie [die Juden] hatten immer die Läden und machten krumme Geschäfte. Sie haben nie gearbeitet, sondern wollten nur ein leichtes Leben. Es lag ihnen im Blut. Es war eine Art Politik auf der ganzen Welt, daß die Juden nicht bereit waren zu arbeiten. Selbst Hitler befürchtete, daß sie die Herrscher Europas würden, und brachte sie um. Es war alles Politik.« Es ist ein auffälliges Merkmal der inhärenten Unlogik des antisemitischen Vorurteils, daß Michal Kabáč ebenso wie Hans Friedrich im 1. Kapitel keinen Widerspruch darin sahen, den Juden einen Vorwurf daraus zu machen, daß sie faul und zugleich arbeitsam seien – voller Neid, daß die Juden große und erfolgreiche Unternehmen aufgebaut hatten, und dennoch behaupteten, sie hätten nie gearbeitet. Wenn die Position von Friedrich und Kabáčin irgendeiner Hinsicht schlüssig ist, so darin, daß sie behaupten, die Juden verrichteten keine »wirkliche« Arbeit wie etwa in der Landwirtschaft, sondern zögen es vor, Händler und Ladeninhaber zu sein – Berufszweige, in denen die Juden gerade deshalb überproportional repräsentiert waren, weil man ihnen seit Jahrhunderten in vielen europäischen Ländern verboten hat, Grund und Boden zu besitzen und »ehrbares« Handwerk auszuüben.
Für die Nationalsozialisten war Auschwitz plötzlich ein verlockender Ort, um slowakische Juden aufzunehmen. Für Himmler war klar, daß keine weiteren sowjetischen Kriegsgefangenen nach Auschwitz geschickt würden. Die Pattsituation zwischen der Wehrmacht und der Roten Armee vor Moskau ließ keinen Zweifel daran, daß der Krieg im Osten nicht so schnell wie erwartet beendet sein würde. Die gefangenen Rotarmisten hielt man jetzt als potentielle Zwangsarbeiter für zu wertvoll, um sie in einem Lager wie Auschwitz verkommen zu lassen, und Göring sollte bald formell bestätigen, daß alle verfügbaren Kriegsgefangenen in Rüstungsfabriken arbeiten müßten. Infolgedessen konnte Birkenau nicht mehr für den ursprünglich gedachten Zweck genutzt werden. Und wer konnte die so entstandene Lücke schließen? Himmler brauchte nicht lange, um die Antwort zu finden: Juden.
Sie waren es nun, an deren Deportation den slowakischen Behörden auf einmal sehr gelegen war. Es gab seit 1940 einen Vertrag, dem zufolge die Slowakei dem Reich 120 000 Arbeiter stellen sollte, dessen Erfüllung die Slowaken jedoch hinauszögerten. Im Januar 1942 bot die Slowakei 20 000 junge, kräftige slowakische Juden an, und die Deutschen akzeptierten, aber anschließend kamen der Slowakei offenbar finanzielle Bedenken. Tiso und die übrige slowakische Regierung hatten allerdings ebensowenig ein Interesse daran, die Frauen und Kinder zu behalten, nachdem deren Ernährer weggegangen waren, wie die Nationalsozialisten an der Ostfront. Es war für die slowakischen Behörden wesentlich einfacher, wenn alle gingen. Doch da die Nationalsozialisten zu diesem Zeitpunkt noch nicht über die erforderliche Vernichtungskapazität verfügten, hatten sie auch nicht den Wunsch, Juden aufzunehmen, die nicht arbeiten konnten. Um dieses Problem zu lösen, fand im Februar 1942 in Bratislava (Preßburg), der slowakischen Hauptstadt, eine Unterredung statt zwischen dem slowakischen Ministerpräsidenten Vojtech Tuka, seinem Amtschef Dr. Izidor Koso und Eichmanns Bevollmächtigtem, SS-Sturmbannführer Dieter Wisliceny. Sowohl Wisliceny als auch Tuka machten nach dem Krieg über den Inhalt der Gespräche eine Aussage, und durch einen Vergleich der beiden Aussagen ist es möglich, über den Inhalt der Gespräche ein Urteil abzugeben. 33 Die Slowaken trugen die Auffassung vor, die Trennung des Ernährers von der restlichen Familie sei »unchristlich«, da nach der Neuansiedlung der jüdischen Arbeiter im Reich die Familien niemanden hätten, der sich um sie kümmere. In der Erinnerung Wislicenys waren die Slowaken weniger an christlichen Grundsätzen interessiert, sondern machten sich Sorgen wegen der finanziellen Belastungen, die auf sie zukommen würden, wenn die Familien ohne ihre Ernährer zurückblieben. Schließlich machten
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