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Auschwitz

Auschwitz

Titel: Auschwitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Rees
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bewerkstelligen ließen, protestierte sogleich und erinnerte Bousquet daran, daß Hitler für die Haltung der Franzosen in einer für ihn so wichtigen Frage kein Verständnis aufbringen werde. Nach dieser versteckten Drohung lenkte Bousquet ein. Die französische Polizei werde die Verhaftungen in beiden Zonen vornehmen, aber nur bei Juden, die keine französische Staatsbürgerschaft hätten. Die französischen Behörden hatten eine klare politische Entscheidung getroffen – sie würden kooperieren, indem sie den Deutschen die ausländischen Juden auslieferten, um so ihre eigenen jüdischen Bürger zu schützen.
    Bei einer Zusammenkunft zwischen Dannecker und dem französischen Ministerpräsidenten Pierre Laval zwei Tage später machte dieser (nach Aussage Danneckers) das Angebot, »daß während der Evakuierung jüdischer Familien aus der unbesetzten Zone Kinder unter 16 Jahren ebenfalls abtransportiert werden könnten. Was die jüdischen Kinder in der besetzten Zone angehe, so sei diese Frage für ihn ohne Interesse. 7 Historiker haben über diesen Vorschlag Lavals geurteilt, er gereiche ihm zu »ewiger Schande« 8 , und erklärt, dieser Augenblick müsse »für immer in die Geschichte Frankreichs eingeschrieben sein« 9 . Man kann dieser Meinung nur zustimmen, vor allem angesichts der entsetzlichen Leiden, denen diese Kinder entgegengingen, die ihnen zu einem großen Teil von Franzosen auf französischer Erde zugefügt wurden, weil einem französischen Politiker ihr Schicksal gleichgültig war.
    Die Verhaftung ausländischer Juden durch die französische Polizei begann in Paris in der Nacht des 16. Juli. An diesem Abend befanden sich Annette Muller, ihr jüngerer Bruder Michel, ihre beiden älteren Brüder und ihre Mutter in der Wohnung der Familie im 10. Arrondissement. Ihr Vater, der aus Polen stammte, hatte Gerüchte gehört, daß etwas in der Luft liege, und die Wohnung verlassen, um sich in der Nähe zu verstecken. Der Rest der Familie war geblieben. Auf den Gedanken, daß ganze Familien in Gefahr seien, wären sie nie gekommen. Annette, damals neun Jahre alt, hat eine deutliche Erinnerung an das, was an jenem Abend geschah. »Wir wurden lautstark geweckt durch Schläge an die Tür, und die Polizei kam herein. Meine Mutter bat sie, wieder zu gehen. Und der Polizeikommissar schob sie zurück und sagte: ›Schnell, beeilen Sie sich, stehlen Sie nicht unsere Zeit!‹ Und das hat mich erschüttert. Jahrelang hatte ich Alpträume, weil meine Mutter, die ich angebetet hatte, sich plötzlich [so benahm]. Ich verstand nicht, warum sie sich vor ihnen demütigte.« 10
    Annettes Mutter breitete in aller Eile ein Bettuch auf dem Boden aus und warf Kleidung und Dörrobst darauf. Minuten später waren sie im Treppenhaus und auf der Straße. Annette stellte fest, daß sie ihren Kamm vergessen hatte, und die Polizei erlaubte ihr, noch einmal nach oben zu gehen und ihn zu holen, wenn sie »sofort zurückkomme«. Sie ging in die Wohnung zurück, in der immer noch die Polizisten waren: »Alles war vollkommen durchwühlt, und ich wollte auch noch meine Puppe mitnehmen, meine Puppe … und sie rissen mir die Puppe aus der Hand und warfen sie auf das ungemachte Bett. Und da verstand ich, daß die ganze Geschichte nicht gut ausgehen würde.«
    Wieder draußen auf der Straße, in dem Durcheinander zwischen Polizisten und Juden, sagte ihre Mutter zu den beiden ältesten Jungen, die elf und zwölf Jahre alt waren, sie sollten weglaufen, und sie verschwanden in der Menge. (Beide überlebten den Krieg bei französischen Familien, die sie versteckten.) Dann trieb die Polizei die anderen in Autobusse und fuhren sie zu einem Sammelplatz, dem Vélodrôme d’Hiver, einer überdachten Winterradrennbahn im 15. Arrondissement. Alle Familien, die während dieser 36 Stunden dauernden Großrazzia verhaftet wurden, insgesamt 12 884 Personen, darunter 4115 Kinder, wurden hierhergebracht. Der damals sieben Jahre alte Michel Muller erinnert sich an das, was nun kam, in einer ganzen Serie blitzartiger Erinnerungen: »Die Lampen waren Tag und Nacht an, und es gab große Dachfenster und es war sehr heiß. Die Bullen bekamen wir kaum noch zu sehen. Es gab eine oder zwei Wasserstellen und Toiletten – vielleicht zwei. Und was ich nie vergessen werde, sind die abscheulichen Gerüche. Nach zwei Tagen wurde der Gestank entsetzlich. Die Kinder spielten, denn es gab eine Menge Kinder, die ich kannte. Wir rutschten auf der Rennbahn – sie war aus Holz.«

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