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Auschwitz

Auschwitz

Titel: Auschwitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Rees
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wieder Arbeit. Dann [1936] marschierte Hitler in das Rheinland ein und besetzte es einfach; niemand hat versucht, ihn aufzuhalten. Wir waren überglücklich darüber – mein Vater spendierte eine Flasche Wein.«
    In der Zwischenzeit ging Oskar zur Schule, und obwohl er seiner Meinung nach gelegentlich »ziemlich faul und vielleicht ein bißchen dumm« war, beendete er die Realschule mit guten Noten und begann mit 17 Jahren eine Banklehre. Kurz nachdem er seine Lehre angetreten hatte, wurde der Krieg erklärt; acht von 20 Bankangestellten wurden sofort zur Wehrmacht eingezogen und von jungen Frauen ersetzt. Das bedeutete, daß die verbliebenen Lehrlinge wie Gröning »Stellungen bekamen, in die sie normalerweise nie gelangt wären. Ich zum Beispiel mußte die Kasse übernehmen.« Doch trotz dieser unerwarteten Beförderung an ihrem Arbeitsplatz waren die Banklehrlinge bei den Nachrichten von Deutschlands schnellen Siegen in Polen und Frankreich von einer »Euphorie« erfüllt und empfanden das Bedürfnis, »dabeizusein [und] mitzumachen«.
    Oskar Gröning wollte nach dem Vorbild seines Großvaters zu einer »Eliteeinheit« der Wehrmacht gehen. Und für diesen jungen Mann kam nur eine einzige Einheit in Frage: die Waffen-SS. Diese »wurde aus Einheiten der SA gebildet [ein Irrtum Grönings] als es darauf ankam, Leute zu haben, auf die man sich absolut verlassen konnte. Bei den Parteikundgebungen marschierten die Männer mit den schwarzen Hemden immer zuletzt auf, und keiner von ihnen war kleiner als 1,90 Meter – es war so erhebend.« Ohne seinem Vater etwas zu sagen, ging Gröning zu einem Hotel, in dem man sich als Freiwilliger bei der Waffen-SS melden konnte, und wurde angenommen. »Und als ich nach Hause kam, sagte mein Vater, ›ich habe gehofft, sie würden dich als Brillenträger nicht nehmen‹. Und dann sagte er noch, ›es tut mir leid, aber du wirst schon noch sehen, was du davon hast.‹«
    Was Oskar Gröning von seiner Mitgliedschaft in diesem Elitekorps hatte, war zunächst eine Stelle innerhalb der SS-Verwaltung als Buchhalter. Er war keineswegs unzufrieden mit diesem Posten. »Ich bin ein Schreibtischmensch. Ich wollte in einer Stellung arbeiten, in der ich sowohl das Leben eines Soldaten führen als auch meine bürokratischen Neigungen befriedigen konnte. Ein Jahr lang arbeitete er als Buchhalter, bis im September 1942 der Befehl erging, daß diensttaugliche, gesunde SS-Leute, die in der Buchhaltung arbeiteten, auf verantwortungsvollere Posten versetzt und die Stellen in der Verwaltung mit Kriegsheimkehrern besetzt werden sollten, die an der Front verwundet worden waren. »In der Annahme, daß wir jetzt einer kämpfenden Einheit zugeteilt würden, zogen 22 von uns mit unserem Marschgepäck los und nahmen einen Zug nach Berlin. Es kam uns ziemlich merkwürdig vor, denn normalerweise hätten wir den Befehl erhalten müssen, uns bei einer Sammelstelle der Wehrmacht zu melden.«
    Gröning und seine Kameraden meldeten sich in einem der Wirtschaftsbüros der SS, die in einem »schönen Gebäude« in der Hauptstadt untergebracht waren. Sie wurden in ein Sitzungszimmer geschickt, wo sie von mehreren hochrangigen SS-Führern begrüßt wurden. »Wir mußten einen Vortrag anhören, in dem man uns sagte, daß wir Befehle ausführen müßten, die vertraulich erteilt worden seien – eine Aufgabe, die mit gewissen Schwierigkeiten verbunden sei. Man erinnerte uns daran, daß wir einen Eid geleistet hätten nach dem Motto ›Unsere Ehre heißt Treue‹ und daß wir diese Treue beweisen könnten, indem wir den Auftrag übernähmen, der uns jetzt erteilt würde und dessen Einzelheiten uns später bekanntgegeben würden. Danach sagte ein SS-Unterführer, wir müßten über diesen Auftrag absolutes Schweigen bewahren. Er sei streng geheim, so daß wir mit keinem unserer Verwandten, Freunde oder Kameraden oder sonstigen Personen, die nicht zu der Einheit gehörten, darüber sprechen dürften. Danach mußte jeder einzeln vortreten und eine entsprechende Erklärung unterschreiben.«
    Nachdem man sie in den Innenhof des Gebäudes gebracht hatte, wurden Gröning und seine Kameraden in kleinere Gruppen aufgeteilt und zu verschiedenen Berliner Bahnhöfen gebracht, von wo sie mit unterschiedlichem Ziel abfuhren. »Wir fuhren nach Süden«, sagt Gröning, »in die Richtung von Kattowitz. Und unser Truppführer, der die Papiere hatte, teilte uns mit, wir müßten uns beim Kommandanten des Konzentrationslagers Auschwitz melden.

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