Auschwitz
Ermordung von Behinderten durch Kohlenmonoxid. 1941 wurde er in den Distrikt Lublin versetzt, wo er den Auftrag hatte, im Rahmen der »Aktion Reinhardt« Vernichtungslager zu errichten, in denen die im Euthanasieprogramm entwickelten Methoden eingesetzt wurden. Wirth war ein Sadist. Einmal wurde er dabei beobachtet, wie er eine Jüdin mit der Peitsche in die Gaskammer trieb, und er ermordete Juden mit seinen eigenen Händen.
In Bełżec hatte dieser furchtbare Mann die Möglichkeit, alle seine bisherige Erfahrung im Massenmorden an einem einzigen Ort einzusetzen. Er beschloß, als Mittel zu diesem Zweck Kohlenmonoxid zu verwenden, das nicht wie beim Euthanasieprogramm aus Gasflaschen kam, sondern aus einem normalen Verbrennungsmotor, wie Widmann ihn wenige Monate zuvor in der Sowjetunion benutzt hatte. Die drei Gaskammern selbst wurden in einem Ziegelsteingebäude untergebracht und sollten den Eindruck von Duschräumen erwecken; das Kohlenmonoxid wurde durch die Duschköpfe an der Decke eingeleitet.
Mit der Verwendung von Kohlenmonoxid aus einem Motor und den angeblichen Duschen übernahm Wirth frühere Tötungstechniken. Doch jetzt betrat er mit dem Entwurf für die Anlage dieses Lagers völlig neuen Boden und orientierte sich nicht mehr an den bisherigen Anlagen von Konzentrationslagern. Als erstes erkannte er, daß in der weitaus größten Mehrzahl der Fälle zwischen der Ankunft der deportierten Juden und ihrer Ermordung nur wenige Stunden vergehen würden, was einen ausgedehnten Gebäudekomplex wie in Auschwitz oder Dachau entbehrlich machte. Das Vernichtungslager benötigte im Gegensatz zum Konzentrationslager nur eine geringe Zahl unterschiedlicher Einrichtungen und nur eine geringe Grundstücksfläche. Diese betrug für das Lager Bełżec weniger als 300 Meter im Quadrat.
Die Besucher der ehemaligen Vernichtungsstätten Bełżec, Sobibór und Treblinka (deren Zahl wesentlich geringer ist als die der Besucher von Auschwitz) sind in der Regel verblüfft darüber, wie klein diese Vernichtungslager waren. In diesen drei Lagern wurden insgesamt rund 1,7 Millionen Menschen vergast – 600 000 mehr als in Auschwitz –, und dennoch hätten sich alle drei bequem auf dem Gelände von Auschwitz-Birkenau unterbringen lassen, und es wäre immer noch Platz übriggeblieben. Bei einem Massenmord, der auf fast jeder Ebene eine Verletzung der Menschenwürde darstellt, liegt eine der größten Kränkungen darin – und das kann wahrscheinlich nur jemand verstehen, der einmal selbst dort gewesen ist –, daß so viele Menschen auf einer so kleinen Fläche umgebracht wurden. Irgendwie verbindet unser Denken eine Tragödie von derart monumentalen Ausmaßen mit einem monumentalen Raum – vielleicht ein weiterer Grund, warum Auschwitz heute so viel bekannter ist als diese drei Vernichtungslager. Die große Ausdehnung von Birkenau läßt dem Denken Raum bei dem Versuch, sich eine Vorstellung von der Monstrosität des Verbrechens zu machen, etwas, das den Besuchern eines Orts wie Bełżec verweigert wird. Wie kann sich unser Gehirn vorstellen, daß 600 000 Menschen, die geschätzte Zahl der hier Ermordeten, auf einer Fläche von weniger als 300 mal 300 Metern umgebracht wurden?
Und auf diesem relativ kleinen Gelände waren nicht nur ein, sondern zwei Lager untergebracht. Wirth wußte, daß der reibungslose Ablauf seiner Todesfabrik wesentlich davon abhing, daß den Neuankömmlingen der wahre Zweck des Lagers möglichst lange verborgen blieb. Deshalb brachte er die Gaskammer in einem eigenen, umzäunten Bereich des Lagers unter, das sogenannte Lager 2, versteckt hinter Bäumen und mit Zweigen begrünten Drahtzäunen. Dieser Bereich war mit dem übrigen Lager nur durch den »Schlauch« zu erreichen, ein Durchgang durch den elektrisch geladenen Zaun. Lager 1 – der übrige Teil von Bełżec – bestand aus dem Aufnahmebereich neben den Schienen, mehreren Baracken (in denen die Neuankömmlinge sich auszogen und wo ihre Habe gelagert werden konnte, bevor sie abtransportiert wurde) und einem Appellplatz.
In Bełżec und anschließend in den beiden anderen Vernichtungslagern arbeiteten drei Kategorien von Menschen. Die erste bestand aus Juden. Wirth hatte schnell erkannt, daß der Einsatz von Juden bei dem Tötungsprozeß nicht nur seinen Männern eine psychische Belastung ersparen würde, sondern auch bedeutete, daß für den Betrieb des Lagers weniger Deutsche benötigt würden. So wurden einige hundert arbeitsfähige Juden aus
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