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Auschwitz

Auschwitz

Titel: Auschwitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Rees
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bis zum Höhepunkt der Ungarn-Aktion in Auschwitz 1944, als die vier Krematorien in Birkenau bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit beansprucht wurden. Doch der Preis für diese unvorstellbare Vernichtungsrate war für Eberls Vorgesetzte zu hoch. Sie erhielten Berichte über die täglich chaotischer werden Zustände im Lager. Es kam noch hinzu, daß das Reich dadurch um bestimmte Einnahmen gebracht wurde. Die Besitztümer der ermordeten Juden blieben über das ganze Lager verstreut, und es wurde behauptet, einige Wertsachen seien von den Deutschen und den Trawnikis geplündert worden.
    Christian Wirth, der Schöpfer von Bełżec, wurde in diesem August zum Inspekteur der drei Vernichtungslager ernannt. Und einer seiner ersten Aufträge bestand darin, zusammen mit seinem Vorgesetzten, dem SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin, Odilo Globocnik, nach Treblinka zu fahren und die dortigen Verhältnisse zu untersuchen. Josef Oberhauser, der unter Wirth arbeitete, sagte später aus, in Treblinka habe Chaos geherrscht. Eberl sei sofort entlassen worden, und Globocnik habe ihm mit Verhaftung gedroht. Nachdem Eberl entlassen worden war wurden die Deportationen nach Treblinka vorübergehend eingestellt. Franz Stangl, der früher mit Wirth beim Euthanasieprogramm gearbeitet hatte und jetzt das Vernichtungslager Sobibór befehligte, wurde zum neuen Kommandanten von Treblinka ernannt.
    Eberl hatte offenbar nicht richtig verstanden, was seine Vorgesetzten von ihm wollten. Er hatte ihnen eine exorbitant hohe Tötungsquote geliefert, aber er hatte die Morde nicht »richtig« organisiert. Einer der bemerkenswertesten Aspekte seiner Entlassung ist die Äußerung Globocniks, er werde ihn wegen seiner Führung des Lagers Treblinka vor ein »Polizeigericht« bringen. In der pervertierten Moral der oberen SS-Chargen verdiente Eberl eine strafrechtliche Verfolgung, weil er den Massenmord an Männern, Frauen und Kindern nicht effektiver organisiert hatte. Wie wir es heute sehen, bestand das Vergehen Eberls in den Augen seines Vorgesetzten darin, daß er das Verbrechen des Massenmords nicht »gut genug« verübt hatte.
    Ein entscheidender Bestandteil des Tötungsprozesses war die Anlieferung von Juden an die neuen Vernichtungslager. Diese Fabriken brauchten Material – und in gigantischen Mengen. Infolgedessen wurde im Sommer und Herbst 1942 überall im besetzten Polen eine ganze Reihe von »Umsiedlungsaktionen« durchgeführt. Himmler hatte in seinem Befehl vom 19. Juli bewußt alle Juden im Generalgouvernement eingeschlossen. Er befürchtete, die ganze Operation könnte scheitern, falls lokale Funktionsträger die Möglichkeit hätten, nach eigenem Ermessen zu handeln. Offenbar rechnete er damit, daß zwar in der Theorie alle Nationalsozialisten an die Notwendigkeit einer Lösung der »Judenfrage« glaubten, einzelne aber dennoch versuchen könnten, den einen oder anderen zu retten, der in ihren Augen ein »guter Jude« war. Ein Fall macht die von Himmler befürchtete Gefahr besonders deutlich – die Wirkung des Deportationsbefehls auf einen Deutschen mit einem stark entwickelten Humanitätsgefühl.
    Albert Battel war als deutscher Wehrmachtsoffizier im südpolnischen Przemyśl stationiert. Mit seinen über 50 Jahren war er älter als die meisten Wehrmachtsoffiziere und hatte vor dem Krieg lange als Rechtsanwalt gearbeitet. Obwohl er der NSDAP angehörte, hatte er keine makellose Vergangenheit als Nationalsozialist, da man beobachtet hatte, daß er in den dreißiger Jahren Juden mit Anstand behandelt hatte. Im Juli 1942 war Battel und der deutschen Wehrmacht in Przemyśl eine Gruppe jüdischer Arbeiter zugeteilt worden. Viele von ihnen arbeiteten in der Rüstungsindustrie und lebten in einem nahe gelegenen Ghetto; sie betrachteten sich im Vergleich zu vielen anderen polnischen Juden als privilegiert und geschützt. Gegen Ende des Monats ging das Gerücht, die SS werde in Bälde in der Stadt eine »Umsiedlungsaktion« durchführen, wobei die Juden in das Vernichtungslager Bełżec gebracht werden sollten. Doch die Juden, die für die deutsche Wehrmacht arbeiteten, nahmen diese Nachrichten mit einem gewissen Gleichmut auf, weil jeder von ihnen einen von der Wehrmacht ausgestellten Ausweis besaß, der sie in ihren Augen vor jeder SS-Aktion schützte. Außerdem sagten sie sich, daß sie ja für die deutsche Kriegswirtschaft arbeiteten und es deshalb sinnlos sein würde, sie zu deportieren. Aber sie hatten nicht mit der dogmatischen

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