Auschwitz
Judenaktion in Dänemark die Entjudung des Landes und nicht eine möglichst erfolgreiche Kopfjagd war, muß festgestellt werden, daß die Judenaktion ihr Ziel erreicht hat.« 34 Damit nimmt Best für sich in Anspruch, Dänemark »judenfrei« gemacht zu haben, und zwar mit Mitteln, die dem Besatzungsregime eine Menge Arbeit und Ärger erspart hatten. Die Tatsache, daß sich die Juden in Sicherheit gebracht hatten, statt sich deportieren zu lassen, hatte noch einen anderen Vorteil: Sie erhöhte die Kooperationsbereitschaft der dänischen Regierung.
Es gibt einen weiteren Aspekt, mit dem sich die jüngere Forschung in diesem Zusammenhang beschäftigt hat. Er betrifft die Frage der »Selbstlosigkeit« jener, die sich an der Rettung ihrer Landsleute beteiligten. Wir wissen beispielsweise, daß viele der ersten Juden, die sich zur Flucht entschlossen, den Fischern beachtliche Summen zahlen mußten. »Leider ließen einige Flüchtlinge eine Menge Geld springen, um als erste aufs Boot zu kommen«, erzählt Knud Dyby. »Und die Fischer waren ja wirklich ziemlich arme Leute. Sie verdienten kaum etwas. Deshalb bin ich sicher, daß so mancher über einen Zusatzverdienst froh war.« Aber ist die Haltung der dänischen Fischer wirklich so unverständlich? Schließlich verlangte man von ihnen, daß sie ihre Existenz – wenn nicht gar ihr Leben – aufs Spiel setzten, um den Juden zur Flucht zu verhelfen. Kann man es ihnen da verdenken, daß sie möglichst viel Geld dafür verlangten? Zumal anfangs niemand wußte, ob nicht vor der Küste deutsche Boote warteten, um sie abzufangen. Vor diesem Hintergrund wäre es verwerflicher gewesen, wenn die Fischer die Sache als zu riskant abgelehnt hätten, egal, was man ihnen dafür bot. Tatsächlich kam es jedoch kein einziges Mal vor, daß dänischen Juden die Überfahrt verwehrt wurde, weil sie nicht genug Geld hatten.
Natürlich kamen den dänischen Rettern auch äußere Umstände zu Hilfe, auf die sie keinerlei Einfluß hatten; beispielsweise die geographische Lage Dänemarks: Im Gegensatz zu den Niederlanden oder Belgien hatten sie einen neutralen Staat als nächsten Nachbarn. Darüber hinaus waren dank des relativ laxen Besatzungsregimes bis zum Sommer 1943 wichtige Institutionen wie Polizei und Küstenwache weitgehend in dänischer Hand geblieben. Dann spielte natürlich auch der Zeitfaktor eine Rolle: Wie bereits erwähnt, zeichnete sich im Herbst 1943 ab, daß Deutschland den Krieg verlieren würde, und als die deutschen Besatzer die Deportation der dänischen Juden beschlossen, war den Dänen bereits klar, daß sie sich mit ihrem Engagement für die Juden auf die Seite der Sieger stellten. Man sollte auch nicht vergessen, daß die deutsche Besatzung in Dänemark bei weitem nicht so rigoros und unmenschlich war wie beispielsweise in Polen; niemand kann sagen, wie sich die Dänen verhalten hätten, wenn ihre jüdischen Mitbürger grausam verfolgt worden wären und wenn jeder, der ihnen geholfen hätte, mit drakonischen Strafen hätte rechnen müssen. Ebensowenig können wir aus der Rettungsaktion schließen, daß die Dänen ein besonders humanes Volk sind, nicht zuletzt, weil sich Dänemark in den dreißiger Jahren sehr zurückhielt, als es darum ging, eine größere Anzahl von jüdischen Flüchtlingen aus Deutschland aufzunehmen. Wie skeptisch man die Haltung der Dänen auch immer sehen mag, an einer Tatsache kommen wir nicht vorbei: Als es in den Jahren 1940 und 1941 so aussah, als würden die Deutschen den Krieg gewinnen, hielten die Dänen an ihren moralischen Prinzipien fest und verfolgten ihre jüdischen Landsleute nicht, obwohl sie sich damit ihren deutschen Besatzern hätten gefällig erweisen können.
Auch sollte die Tatsache, daß der skrupellose Best von Anfang an beabsichtigt hatte, eine große Zahl von dänischen Juden entkommen zu lassen, unsere Anerkennung für den Einsatz der dänischen Bevölkerung nicht schmälern. Als die Dänen sich entschlossen, ihre jüdischen Landsleute vor der Deportation zu retten, wußten sie nichts von Bests Absichten. Jeder Däne, der einem Juden half, mußte davon ausgehen, daß er gegen die Interessen der Deutschen handelte und damit ein hohes persönliches Risiko einging. Folglich fällt es schwer, Knud Dyby nicht beizupflichten, wenn er sagt: »Was die Dänen getan haben, taten sie aus tiefstem Herzen, aus Mitgefühl. Es war schlichte Menschlichkeit. Es war schlichte Güte und Anständigkeit. Und so hätten alle in ganz Europa
Weitere Kostenlose Bücher