Auschwitz
beabsichtigten Verhaftungswelle benachrichtigte.
Der Großeinsatz war für die Nacht vom 1. auf den 2. Oktober 1943 geplant. Nur wenige Tage zuvor hatte Best eine Besprechung mit dem deutschen Marineattaché Georg Duckwitz und informierte diesen über die bevorstehenden Massenverhaftungen. Best setzte darauf, daß Duckwitz, der bekanntermaßen mit den Dänen sympathisierte, die Information an dänische Politiker weitergab und daß diese ihrerseits führende Mitglieder der jüdischen Gemeinde benachrichtigten. Damit waren die Weichen für die Rettung der dänischen Juden gestellt.
»Es war an einem Dienstagabend [28. September]«, erinnert sich Bent Melchior, »als eine Frau an unserer Wohnungstür klingelte und meinen Vater sprechen wollte. Sie erzählte ihm, daß der Einsatz in der Nacht des kommenden Freitags stattfinden würde.« Da der folgende Tag ein jüdischer Feiertag war, hatten sich am nächsten Morgen mehr Menschen als gewöhnlich in der Synagoge versammelt: »Mein Vater unterbrach den Gottesdienst und erklärte, daß er etwas Wichtiges zu sagen hätte. Dann gab er die Nachricht weiter, die man ihm übermittelt hatte. ›Seid Freitagnacht nicht zu Hause‹, schärfte er ihnen ein. Dann sagte er noch, daß der Gottesdienst am nächsten Morgen ausfallen würde. Aber damit durften wir uns natürlich nicht zufriedengeben. Jeder von uns war nun gefordert, Familienmitgliedern, Freunden und Leuten, die ganz zurückgezogen lebten, Bescheid zu sagen, also zu versuchen, soviel Leute wie möglich zu erreichen.«
Der Exodus begann noch am selben Tag, dem 29. September. Auch Rudy Bier 31 und seine Familie brachen auf. Sie verließen ihre Wohnung in Kopenhagen, um etwa 15 Kilometer außerhalb der Stadt bei Geschäftsfreunden von Rudys Vater Unterschlupf zu suchen: »Es war eine sehr nette Familie mit drei Töchtern, die ein bißchen älter waren als wir. Sie wohnten in einer Villa, und es gab einen Garten, was völlig neu für uns war, weil wir ja nur eine Wohnung hatten. Sie kümmerten sich ganz rührend um uns.«
Während sich Familie Bier in ihrem neuen Zuhause außerhalb Kopenhagens einlebte, sickerte die Nachricht von den bevorstehenden Deportationen auch zur dänischen Polizei durch. »Ich war gerade auf dem Revier, als ich die Neuigkeiten erfuhr«, berichtet Knud Dyby. »Ein Kollege erzählte mir, daß ihn sein jüdischer Nachbar angesprochen hätte, ein Kaufmann namens Jacobson. Er und seine Familie wären sehr beunruhigt und bräuchten Hilfe.« Wenn man bedenkt, wie sich die französische oder slowakische Polizei unter deutscher Besatzung verhielt, ist es bemerkenswert, daß Dyby und seine Kollegen sich spontan entschlossen, ihren jüdischen Mitbürgern zu helfen. Dyby erklärte sich bereit, die Jacobsons bei der Flucht über die Meerenge zwischen Dänemark und dem neutralen Schweden zu unterstützen – es war die erste von vielen Rettungsaktionen, an denen Dyby beteiligt war: »Wir sagten ihnen, daß sie entweder mit der Straßenbahn oder mit dem Nahverkehrszug zum Bahnhof in der Nähe des Osthafens kommen sollten. Von da nahmen wir mehrere Taxis zum Hafen hinunter. Die Taxifahrer wußten Bescheid und waren sehr hilfsbereit. Manche wollten nicht einmal Geld für die Fahrt nehmen. Am Hafen versteckten wir uns in einem der Schuppen, in dem die Deutschen Netze und Geräte unterbrachten.«
Sobald die jüdischen Familien in Sicherheit waren, machte sich Knud Dyby auf die Suche nach Fischern, die das Risiko auf sich nehmen würden, die Flüchtlinge in der Nacht nach Schweden zu bringen. »Ich sagte den Fischern, wieviel Leute ich dabeihätte, und wir einigten uns auf einen Preis. Wir hatten uns das ganze Geld zusammenleihen müssen, um sie bezahlen zu können – denn wir wollten sie ja alle auf das Boot bekommen.« Es war ein äußerst riskantes Unternehmen: »Ich war mit drei jüdischen Männern unterwegs, als plötzlich eine deutsche Patrouille auf uns zukam. Wir sprangen in einen tiefen Graben, und da blieben wir, bis wir hörten, daß die Deutschen vorbeigegangen waren. Ich hatte die ganze Zeit meine geladene Pistole in der Hand, denn ich hätte uns vier verteidigt … Ich wollte ja nicht erwischt werden und in einem Konzentrationslager landen.«
Es waren nicht nur dänische Polizisten, die den Juden zur Flucht verhalfen; auch Angehörige anderer Institutionen trugen zu ihrer Rettung bei, angefangen bei der dänischen Küstenwache, die nicht so genau hinsah, wenn zahllose kleine Boote nachts die
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