Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)
drei.
Na ja, gut, Gedanken sind nicht strafbar, rechtfertigte ich meinen geistigen Ausrutscher vor mir selber. Wahrscheinlich war mir gerade irgendwo vor Anspannung ein Nervenstrang gerissen. Ja, das musste der Grund dafür gewesen sein.
„Hier drüben, Alan!“, rief ich und kam ihm auf halbem Weg entgegen. Die ungläubigen Blicke der Rezeptionistinnen entgingen mir nicht, und ich fühlte ein kleines bisschen Stolz in mir hochkochen. Ja, ihr Tussen, das hättet ihr wohl nicht von mir gedacht, was? Aber …war das gerade nicht Hochmut gewesen?
Eine Todsünde?
Nein, in dieser kleinen Dosierung sicher nicht.
Verdammt, war das alles kompliziert.
Ganz sicher aber würde das einen hübschen Tratsch für die Firma abgeben. War jetzt auch schon egal.
Alan schien erleichtert, mich zu sehen, doch als er vor mir stand, zog eine dunkle Wolke der Besorgnis über sein Gesicht.
„Was ist denn mit dir passiert?“, fragte er mich ungläubig und musterte mich von oben bis unten. Tatsächlich hatte ich mich nicht weiter um die Schäden gekümmert, die Regen und Tränen bei meinem Make-up hinterlassen hatten. Als mir das bewusst wurde, fasste ich peinlich berührt an meine Wange und huschte zur Spiegelfläche, die sich neben dem Aufzug befand.
Ach, du dickes Ei.
Meine Mascara hing nicht mehr über, sondern unter den Augen, und mein Haarspray hatte sich der Schwere der Nässe ergeben. Ich sah aus wie ein Häufchen Elend mit einem Mäusenest auf dem Kopf.
Nein, das traf es nicht ganz.
Ich sah eher aus wie eine riesengroße Halde voller Elend mit einem Mäusenest oben drauf.
„Scheiße!“, fluchte ich und versuchte mit einem Taschentuch und Spucke zumindest einen Teil meiner Fassade zu retten. Der Versuch scheiterte kläglich.
Alan legte mir eine Hand auf die Schulter.
„Lass gut sein, du kannst dich später frisch machen. Wir müssen los. Komm jetzt!“, drängte er und schob mich durch die Eingangstür hinaus, öffnete mir hastig die Beifahrertür des Porsche und schwang sich anschließend gekonnt lässig hinters Steuer. „Zunächst fahren wir zu dir, ein paar Sachen holen. Dann bringe ich dich an einen sicheren Ort. Einen, den Mael nicht kennt. Du musst für ein paar Tage untertauchen.“
Ich setzte an, um zu protestieren, überlegte es mir dann aber doch anders. Alan hatte recht. Mael kannte meine Wohnung, und da er sich weiß der Geier wie die Fähigkeit des Materialisierens angeeignet hatte, war anzunehmen, dass die Duschgeschichte von neulich bestimmt eine Fortsetzung finden konnte. Allein der Gedanke daran schüttelte mich. Ich begegnete Alans besorgtem Blick und wusste, er hatte die gleiche Schlussfolgerung gezogen.
„Wo wohnst du?“
Ich nannte ihm meine Adresse, und bevor ich mich anschnallen konnte, trat Alan derart aufs Gas, dass es mich in den Sessel drückte.
„Mann, Alan“, fluchte ich, „schalt ’nen Gang runter, wir sind nicht auf der Flucht!“
Er schnaubte einmal lachend aus.
„Oh doch, Aline, das sind wir. Besser gesagt, du. Wenn Mael dich in die Finger kriegt … Ich will gar nicht dran denken. Ich hatte immer gehofft, mein Bruder würde sich nach der Geschichte mit Mum wieder fangen. Tja, schöner Mist. Wie sagt man? Die Hoffnung stirbt zuletzt.“
Welch aufbauende Worte, genau das Richtige in diesem Moment.
„Wo ist Daron?“, fragte ich ängstlich, „Geht es ihm gut?“
Alans Kiefermuskulatur verspannte sich. Kein gutes Zeichen.
„Es geht ihm den Umständen entsprechend. Er ist im Cubarium. Vater hat ihn um Hilfe gebeten, als es darum ging, Mael … ins Gewissen zu reden. Das Ganze gestaltete sich offenbar schwieriger als gedacht. Mael ist mächtiger, als wir bisher angenommen hatten. Er hat es geschafft, seinen Bewachern zu entwischen und in der Anderswelt ein solches Chaos zu stiften, dass es Daron bisher nicht möglich war, zurückzukommen. Bevor er ins Cubarium ging, bat er mich darum, ein Auge auf dich zu haben und dich im Fall der Fälle in Sicherheit zu bringen. Und den haben wir jetzt, Daron muss das irgendwie geahnt haben. Franziska war kurz im Labor, um einige Werte zu analysieren, als sie plötzlich einen Instrumentenausfall im Ruheraum bemerkte. Sie lief sofort zurück ins Cubarium und fand Maels Bett leer vor. Ich weiß nicht, wie dieser Mistkerl es geschafft hat, sich so schnell aus dem Staub zu machen und sich irgendwohin zu beamen. Verdammt, wir hätten die Situation wirklich ernster nehmen sollen!“
Mit diesen Worten schlug Alan einmal so heftig aufs
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