Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)
stets mit einem kleinen Maunzen kommentiert hatte. Als hätte er mir sagen wollen, dass alles in Ordnung sei. Er schien meine Angst zu spüren, und so begleitete er mich bei jedem Schritt, den ich tat. Lachen Sie nicht, aber selbst auf die Toilette musste ich ihn mitnehmen. Das erste Mal hatte ich noch versucht, ihn draußen zu lassen, doch mein Bodyguard hatte vor der Badezimmertür ein derartiges Katzenjammerkonzert veranstaltet, dass ich mich von ihm hatte erweichen lassen. Zu pinkeln, während eine Katze dabei zuschaut, war eine ganz neue Erfahrung und bedurfte tatsächlich einiger Übung meinerseits. So mussten sich also Hunde beim Gassi gehen fühlen, wenn sie ihr Geschäft direkt neben dem Herrchen verrichteten. Ich schwor mir, nie wieder die Privatsphäre eines Hundes zu missachten. Und da ich für ausgleichende Gerechtigkeit war, war ich kurz entschlossen so frei gewesen, Victors überdachte Katzentoilette in mein Bad zu verfrachten. Normalerweise können Katzen so was gar nicht leiden, aber da musste er nun durch. Quid pro quo, hätte Hannibal Lecter dazu gesagt. Erstaunlicherweise aber hatte Victor nur kurz miaut und war wie zur Bestätigung gleich darauf in seinem stillen Örtchen verschwunden. Ich mochte diesen Kater immer mehr und fragte mich, wo Franziska ihn nur aufgetrieben hatte. Beim nächsten Telefonat würde ich sie fragen müssen.
Das Telefon war die nächste Zeit die einzige Möglichkeit für uns, miteinander zu kommunizieren. Wir hatten vereinbart, dass sie mich dreimal am Tag auf meinem Handy anrufen würde. Ich fühlte mich zwar ein wenig bevormundet, verstand aber den Sinn, der dahinter steckte. Wir konnten einfach nicht vorsichtig genug sein, und zudem war ich Franziska mehr als dankbar, dass sie mir Unterschlupf gewährte. Das hätte sie schließlich nicht tun müssen, mochte das Ganze doch vielleicht zum baldigen Ende ihrer Beziehung mit Alan führen. Dass sie es trotzdem tat, zeugte für mich von enormer Größe und beförderte sie in meinem Ansehen zusammen mit Alan auf einen der vordersten Plätze meiner Beliebtheits-Top-Ten.
Wer Platz eins einnahm?
Na, jetzt raten Sie mal.
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So verbrachte ich die nächsten zwei Tage in Franziskas Haus mit Extrem-Katerkrauling und langweilte mich vor mich hin. Gut, es war, ehrlich gesagt, schon ganz nett, einfach mal nichts tun zu müssen. Nur im Bett zu bleiben, ein wenig im Internet zu surfen, Bücher zu lesen und die eine oder andere Hausfrauenbügelsendung anzuschauen. Auch meine Schreckhaftigkeit ließ von Stunde zu Stunde zusehends nach. Nicht geringer dagegen wurde meine Sehnsucht nach Daron. Die Sehnsucht nach seinen Berührungen, seinem Duft, seiner weichen Haut, seiner dunklen Stimme, seinem seidigen Haar …
Wie gern hätte ich mich jetzt in seine starken Arme flüchten und seine Nähe genießen wollen. Ich gab es nur ungern zu, aber zweimal hatte ich mir die Kleenex-Box aus dem Bad holen müssen, weil mir alles zu viel wurde und ich wie ein Schlosshund heulte. Einmal, als ich eine Doku über geschundene Straßenhunde in Griechenland sah, und einmal, als ich ein rührseliges Video beim Surfen auf YouTube entdeckte. Vertont war es mit einem mir völlig unbekannten Lied, das super zum Inhalt à la „Junges Paar liebt sich, ein Partner stirbt“ passte. Ja, lachen Sie ruhig!
In dem Moment berührten mich diese zwei Minuten derart tief in meiner Seele, dass sich mein Frust Bahn brach und mit dicken Schluchzern aus mir heraussprudelte. Wer konnte schon von sich behaupten, dass ihm innerhalb einer knappen Woche sein Leben komplett auf den Kopf gestellt wurde und er diesen Umstand einfach mal so wegsteckte? Die Betonung liegt hierbei auf der passiven Formulierung „auf den Kopf gestellt wurde “, denn inzwischen fühlte ich mich in meinem eigenen Leben derart hilflos und außen vor, als würde es von anderen geführt und ich durfte höchstens noch als Komparsin von einem schlechten Platz aus zusehen. Ich heulte mir nahezu die Augen aus, bis mich Victor beide Male zielsicher aus meinem Selbstmitleid herausholte. Er hockte sich ungeachtet meiner salzigen Sturzbäche auf meinen Schoß und tapste mit einer Pfote sachte nach meinem Gesicht. Da musste ich trotz aller Tränen lachen. Dieser Kater war wirklich einmalig. Fest drückte ich sein flauschig weiches Fell an mein Gesicht und dankte meinem kleinen Aufpasser dafür, dass er seine Aufgabe so bravourös meisterte.
Natürlich blieb meine seelische Verfassung auch Franziska nicht
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