Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)
verborgen, denn bei jedem Anruf fragte sie mich, ob sie nicht doch Alan als Gesellschafter herüberschicken sollte, Cayden und sie kämen schon klar im Cubarium. Ich gebe zu, für zwei Sekunden war ich wirklich versucht, das Angebot anzunehmen, besann mich dann aber doch eines Besseren. Zu groß war die Gefahr, dass Mael sich an Alans Fersen haften würde und dadurch nicht nur mich, sondern auch noch dessen Beziehung zu Franziska entdecken könnte. Außerdem wollte ich – so blöd sich das anhörte – Alan nicht unnötig in Versuchung bringen. Er hatte sich einmal kurz vergessen und bereits dafür gebüßt. Doch mittlerweile wusste ich, dass der verzweifelte Kampf um eine Liebe merkwürdige Blüten treiben konnte. Wir sollten es einfach nicht unnötig herausfordern. Diesen Grund behielt ich allerdings für mich und beteuerte Franziska, dass ich neben der Sorge um Daron einfach nur eine Art Lagerkoller hatte und sich das schon wieder geben würde.
„Falls du was zum Lachen brauchst: Alan hat unten im Wohnzimmer seine Kollektion Leslie-Nielsen-Filme geparkt. Ich persönlich finde diesen alten Mann einfach nur lächerlich, aber er steht total auf ihn. Keine Ahnung warum, doch wenn das Alans größtes Laster ist, dann sei es ihm meinetwegen gegönnt.“
Bei diesem Kommentar seufzte Franziska gespielt theatralisch und hob allein durch ihren unterschwelligen Sarkasmus meine Laune bereits um einige Levels.
„Wie geht es Daron? Gibt es Neuigkeiten?“, fragte ich in der Hoffnung, Franziska würde mir irgendetwas Neues berichten können, obwohl ich tief im Inneren wusste, dass sie das schon längst getan hätte, wenn dem so gewesen wäre.
„Nein, leider nicht, er liegt immer noch ohne Regung hier unten. Seine Vitalzeichen sind allerdings weiterhin gut, und damit können wir sehr zufrieden sein. Gib die Hoffnung nicht auf, Aline. Er wird bald wieder bei dir sein. Ganz bestimmt.“
„Danke“, seufzte ich ins Telefon und verabschiedete mich, um mich wieder meinen trüben Gedanken hinzugeben. Ich dachte daran, wie hilflos Daron dort unter der Erde an den Apparaten angeschlossen lag und nur ein monotones Piepsen den trostlosen Raum erfüllte. Dieses Piepsen, das man sonst nur auf der Intensivstation eines Krankenhauses vernahm. Meine Gedanken schweiften ab zu meinem Vater, den Daron einst mit auf die Reise genommen hatte. Ob er wohl auch so auf einem Operationstisch gelegen hatte, mit diversen Schläuchen aus seinem Körper führend und verdrahtet mit irgendwelchen Apparaturen, die wie schaurige Weihnachtsbeleuchtungen in diversen Farben blinkten? Jetzt hätte ich meinen Vater wirklich gebraucht. Er hätte mich sicher in den Arm genommen und mir gesagt, dass es nichts auf der Welt gab, was nicht wieder in Ordnung kommen würde. Natürlich entsprach das nicht ganz der Wahrheit. Manche Dinge konnte selbst die Zeit nicht heilen. Immer noch vermisste ich ihn so schmerzlich, als wäre sein Unfall erst vor wenigen Wochen gewesen. Doch das Leben ging nun einmal weiter, und entweder vergrub man sich für immer in seinem Leid, oder man versuchte, sich einigermaßen wieder an die Oberfläche zurückzukämpfen, Stück für Stück, Erfolg für Erfolg, Sonnenstrahl für Sonnenstrahl.
Es war damals eine so schwierige Zeit gewesen, und auch heute noch gab es Momente, in denen ich zurückzusinken drohte in dieses dunkle Loch unfassbar tiefen Schmerzes. Momente wie diesen.
Ich hatte gelernt, dass es nichts brachte, endlos in seiner Trauer zu versinken. Ich gönnte mir meine Momente des Leidens und kostete sie vollends aus, nahm dafür aber nach einer bestimmten Zeit all meine restliche Selbstbeherrschung zusammen und zwang mich wieder zurück in mein überlebenswichtiges Korsett aus Stolz und selbst auferlegter Stärke. Nur so hatte ich damals diese schlimme Zeit überstehen und eine Stütze für meine Mutter sein können, die mit Papas Verlust weitaus schlechter zurechtkam als ich.
Nein, jetzt war wieder einmal genug geheult. Ich atmete ein paar Mal tief durch, riss mich am Riemen und griff nach einem frischen Kleenex, um mir die Nase zu putzen. Victors Fell hatte ich bereits vollkommen unter Wasser gesetzt, und so entschuldigte ich mich bei meinem kleinen Bodyguard für das unfreiwillige Salzbad, dem er sich so selbstlos ausgesetzt hatte. Ein beinahe aufmunternder Maunzer verließ seine Katerkehle und ich musste sogar kurz lachen.
„Ja, du hast recht. Schluss mit der Flennerei, jetzt wird weiter optimistisch nach vorne geschaut.
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