Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)
hätte.
Franziska warf die benutzten Pads zurück in die Schale, nahm sachte mein Kinn in ihre Hand und leuchtete mir wie schon vor ein paar Tagen mit ihrem kleinen Leuchtstift in die Augen. Das Licht schmerzte, und ich musste die Augen kurz zusammenkneifen.
„Tut mir leid“, flüsterte ich und sah sie beschämt an. „Tut weh.“
„Kopfschmerzen und Übelkeit. Extreme Lichtempfindlichkeit. Wir sollten dich auf jeden Fall über Nacht zur Beobachtung hier behalten. Ich will sicher gehen, dass du lediglich eine Gehirnerschütterung und keine Gehirnblutung davongetragen hast.“
„Okay.“ Meine Antworten fielen derzeit wirklich karg aus, denn das Sprechen kostete mich unwahrscheinlich viel Mühe. Ich war müde, so unbeschreiblich müde, und wollte nur noch schlafen.
Schlafen und vergessen.
Und vielleicht nie mehr aufwachen.
Da vernahm ich erneut Caydens Schritte.
„Alan ist entfesselt und versorgt. Ihm brummt zwar der Schädel von der Betäubung, und er steht noch etwas wackelig auf den Beinen, aber ansonsten ist er in Ordnung. Hier – die Spritze für Daron.“
Bei der Erwähnung dieses Namens blickte ich überrascht auf. Daron sollte also jetzt aufwachen. Mein Herz tat einen enormen Freudensprung, nur um in der nächsten Sekunde wie ein im Flug erschossener Vogel zu Boden zu fallen.
Er war nicht mehr mein Daron.
Nicht mehr mein Liebster.
Dafür hatte Mael gesorgt.
Nein, stimmte nicht, dafür hatte ich gesorgt.
Ich ganz allein.
Scham kroch mir wie eine Spinne das Rückgrat hinauf und saugte sich in meinem Nacken fest. Ich musste hier raus.
Sofort.
Ich wollte nicht, dass das Erste, was Daron sah, seine Freundin – Exfreundin mittlerweile – war, die sich gerade von seinem Bruder hatte flachlegen lassen, was er noch dazu die ganze Zeit live hatte mit anhören müssen. Nein, das war mehr, als ich ertragen konnte.
Vorsichtig setzte ich erst einen Fuß auf den Boden, dann den anderen. Doch als ich das Bett losließ und meinen ersten Schritt machte, begann sich das Zimmer zu drehen. Hätte Cayden mich nicht blitzschnell aufgefangen, wäre ich wie ein Sack Mehl zu Boden gegangen.
„Wo denkst du, dass du hingehst?“, fragte er sanft und setzte mich wieder auf mein Bett. Tränen ließen mir erneut die Sicht verschwimmen.
„Ich will nicht hier sein, wenn er aufwacht“, jammerte ich und zeigte auf Daron.
„Er wird mir das alles nie verzeihen. Ich habe unser Schicksal verändert. Verdammt, nicht mal ich werde mir das je verzeihen.“
„Doch, das wirst du. Und er auch.“ Behutsam hielt Cayden mich an den Schultern fest und sah mich aufmunternd an. „Es wird alles wieder gut, Aline. Versprochen.“
Ich war zu fertig, um zu widersprechen, also nickte ich nur stumm. In Wahrheit glaubte ich Cayden kein einziges Wort. Ich hatte meine Reinheit geopfert. Das konnte man nicht mehr rückgängig machen.
„Cayden, hilfst du mir mal?“, fragte Franziska hinter meinem Rücken, und ich blickte mich um. Sie stand leicht gebückt zwischen Darons und meinem Bett und hatte bereits einen von Maels Armen in der Hand. „Ich kann ihn nicht alleine bewegen, er ist zu schwer.“
„Kommst du klar?“, fragte Cayden mich und schenkte mir einen warmherzigen Blick aus seinen Augen, die mich an tausendfach glitzernden Schnee in der Sonne erinnerten. Wieder nickte ich nur.
„Gut. Und du bleibst schön hier sitzen.“ Scherzhaft drohte er mir bei diesen Worten mit dem Zeigefinger. Da musste ich sogar ein klein wenig lächeln. Wer hätte gedacht, dass Satan in Wirklichkeit so herzlich war? Ich konnte langsam verstehen, was seine Freundin an ihm fand. Neben all den optischen Pluspunkten, verstand sich.
Cayden ging um mein Bett herum, und ich drehte mich vorsichtig nach links, um ihm und Franziska beim Abtransport von Mael zuzusehen. Eigentlich hätte ich mir seinen Anblick ersparen sollen, doch ich wollte sicher sein, dass er tatsächlich ausgeknockt war. Ich musste es einfach wissen. Cayden griff gekonnt unter Maels Achseln, während Franziska dessen Füße anheben wollte.
„Woher wusstest du, dass wir Hilfe brauchten?“, fragte sie Cayden und startete einen erfolglosen Versuch, Maels Beine zu bewegen. Sie war einfach zu schmächtig, um einen solchen Riesen stemmen zu können. Cayden dagegen hatte keine Probleme damit.
„Ein dummer Zufall. Oder, besser gesagt, ein glücklicher. Ich habe mein Handy drüben im Labor neben dem Computer liegen gelassen. Es fiel mir erst heute auf, und da ich sowieso in der Nähe
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