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Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Titel: Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Byron
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Kopfschmerzen, die mir zusammen mit meinen Tränen die Scharfsicht immens erschwerten, erkannte ich, dass neben meinem Bett ein Mann stand, von der Statur gleich derer der Ewigen. Er hielt den vor Wut rasend schreienden Mael gegen Darons Bett gepresst. Dieser Mann, dessen Haare glatt wie ein silberner Wasserfall über seine massiven Schultern fielen, hob seine rechte Faust und begann, gnadenlos auf den nackten, zappelnden Mael einzuschlagen. Blut spritzte auf die weißen Laken, und ein zweimaliges Knacken verriet mir, dass der Unbekannte meinem Peiniger zuerst die Nase und dann auch den Kiefer gebrochen haben musste. Dies war umso wahrscheinlicher, als nach dem zweiten Krachen von Mael statt seiner Schreie nur noch ein leises Röcheln zu vernehmen war.
    Heftig hoben und senkten sich die Schultern meines Retters, als er von meinem Folterknecht abließ. Er schüttelte die Hand aus, mit der er Mael bearbeitet hatte, und versuchte, die Finger mehrmals zu spreizen und zu schließen.
    „Scheiße, das tat weh“, sagte der Fremde mit einer derart voluminösen Stimme, dass ich umgehend an den tiefen, brummenden Bass eines Löwen denken musste. Es war eine schöne Stimme, eine Stimme, die man selbst dann in Erinnerung behielt, wenn man sie nur einmal in seinem Leben gehört hatte. Wäre sie eine Decke gewesen, hätte ich mich sofort von Kopf bis Fuß in sie einwickeln und einfach nur weinen wollen. Nun, zumindest Letzteres war mir möglich, und ehe ich es verhindern konnte, pressten sich erneut dicke Schluchzer aus meiner Kehle an die Oberfläche. Ich konnte mich nicht mehr zusammenreißen, zu viel Schaden hatte meine Seele offensichtlich durch das genommen, was mir soeben widerfahren war. Jetzt brach sie sich in ihrer Verletzung Bahn und verwandelte mich in ein heulendes Häufchen Elend.
    „Ist schon gut, Aline, weine ruhig“, hörte ich den Fremden sagen und spürte, wie er mir die Decke über meinen nackten, geschundenen Körper legte. Wie rücksichtsvoll, dachte ich noch und schaute zu ihm auf. Silbrige Augen gleich der Farbe seiner Haare blickten voller Wärme und Güte auf mich hinab und gaben mir innerhalb von Sekunden das Gefühl, dass mir jetzt nichts mehr passieren könne. Wie zur Bestätigung streichelte der Fremde mir vorsichtig über meinen Kopf. „Es ist vorbei“, sagte er mit seiner Samtstimme und begann im Anschluss daran, mir meine ledernen Hand- und Fußfesseln aufzuschnallen. Als ich endlich die  Gelegenheit hatte, mich wieder frei bewegen zu können, rollte ich mich reflexartig so eng wie nur irgend möglich zusammen, gleich einem Fötus geschützt vom Bauch seiner Mutter.
    „Danke“, war das einzige, was ich, geschüttelt von einem Heulkrampf, hervorbrachte.
    „Danke mir nicht. Ich war nicht rechtzeitig da. Du ahnst nicht, wie leid mir tut, was Mael mit dir gemacht hat. Mit euch allen.“
    Mit diesen Worten sah ich den Silberhaarigen sich zu der Stelle hinabbücken, an der offenbar Franziska gefesselt war. Ich hörte, wie etwas zerrissen wurde, und vernahm im nächsten Moment Franziskas dick belegte Stimme.
    „Cayden, o Gott, Cayden. Danke, dass du gekommen bist!“

42
    Das war also Cayden.
    Satan.
    Der Tod des Zornes.
    Hätte man mich gefragt, ich hätte ihn mir komplett anders vorgestellt. Andererseits war mein Bild vom Tod vor der Begegnung mit Daron ja auch ein völlig Falsches gewesen, nämlich das gängige Klischee mit Kutte und Sense, also was wusste ich schon? Es war auch vollkommen egal. Was im Moment zählte, war, dass Cayden Mael ausgeschaltet hatte, bevor dieser seine Tat gänzlich vollenden konnte. Wenigstens das war mir eine Genugtuung, wenn auch nur eine sehr geringe.
    Denn Mael hatte es tatsächlich geschafft. Ich hatte, um Daron zu retten, die Sünde der Wollust begangen, auch wenn es nicht wirklich Lust gewesen war, die mich zu diesem Schritt getrieben hatte. Trotzdem hatte ich Daron faktisch betrogen, und nur darauf kam es an. Unser Schicksal war somit besiegelt.
    Es würde kein „Wir“ und kein „Uns“ mehr geben.
    Ein neuer, dumpfer Schmerz formte sich in mir, diesmal tief in meinem Herzen. Ich kannte diesen Schmerz. Ich hatte ihn schon einmal in dieser Gestalt erleben müssen. Verlust wuchs wie eine Lawine. War sie einmal losgetreten, konnte man nur noch hoffen, dass man sie irgendwie überlebte. Was dieses Gefühl anging, war ich mittlerweile Profi.
    „Aline?“
    Ich schlug die Augen auf. Franziska stand mit besorgtem Blick vor mir, rote Striemen verliefen quer über

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