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Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Titel: Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Byron
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ihren Tribut zu fordern. Daron musste wohl meine Müdigkeit bemerkt haben, denn er hatte mir angeboten, mich nach Hause zu begleiten, und ich hatte dankend abgelehnt. Nicht, weil ich nicht gewollt hätte, sondern aus rein pragmatischen Beweggründen. Das Wort Beweg-Gründe war hier wörtlich zu nehmen, denn mit dem Rad war ich einfach schneller daheim als zu Fuß. Daron hatte das vollkommen verstanden und mich gefragt, ob er mich am nächsten Abend zu Hause besuchen dürfe.
    Anständig. Durch die Vordertür. Da hatte ich lachen müssen. Und ihm ein Ja gegeben. Zum Abschied hatte er mich noch einmal geküsst, diesmal nur kurz und leicht, wie die Berührung einer Feder. Es glich einem Wunder, dass ich tatsächlich den Weg nach Hause gefunden hatte, ohne mich zu verfahren, so sehr war ich durch den Wind gewesen. Na ja, fast ohne Verfahren: Einmal war ich falsch abgebogen und in einem vermüllten Hinterhof gelandet. Reine Müdigkeit, hatte ich mir da eingeredet. Ja, sicher doch.
    Mittlerweile war ich mit meiner Fassadenrenovierung fertig, die Zähne waren geputzt und die Haare zurechtgewuschelt. Ich würde heute zwar keinen Schönheitswettbewerb gewinnen, aber der gröbste Schaden war behoben. Duschen musste aus Zeitnot bis auf nach der Arbeit verschoben werden – wozu gab es schließlich Katzenwäsche und teures Parfüm? Eines war definitiv klar: Vor heute Abend brauchte ich dringend noch eine Mütze voll Schlaf. Und zwar eine richtig große Mütze voll.

7
    Der Tag auf der Arbeit war relativ unspektakulär und kurz. Sämtliche Kollegen fragten mich, ob ich krank sei, ich würde so übermüdet aussehen. Ach was. Mein Chef Florian, ein gemütlicher Vatertyp, Mitte Vierzig, verheiratet, zwei Kinder, ein Hund, bat mich sogar, nach Hause zu gehen und mich übers Wochenende gesund zu schlafen. Ich mochte Florian wahnsinnig gern. Er war einer der wenigen Abteilungsleiter, denen das Wohl seiner Mitarbeiter immer noch wichtiger war als knallhartes Karrierestreben. Was wiederum dafür sorgte, dass wir uns in seinem Team alle rundum wohl fühlten, gute Arbeit leisteten, selten krank waren und jeden Morgen gerne wieder ins Büro kamen. Heutzutage konnte man Arbeitsplätze mit solch traumhaften Voraussetzungen geradezu mit der Lupe suchen. Ein wenig Kopfschmerzen, entgegnete ich ihm, das würde schon wieder werden. Doch Florian ließ sich nicht umstimmen, und so handelten wir einen Kompromiss aus – ich würde noch meinen Schreibtisch abarbeiten und danach nach Hause gehen. Ein Chef, der seine Mitarbeiter von sich aus nach Hause schickte … Ich wusste schon, warum ich diesen Job trotz Stress so mochte. So riss ich mich also extrem zusammen und meine Augen umso mehr auf, als ich verschiedene Anrufe tätigte und falsche Buchungen der Außendienstler im System ausglich. Harry Steet rief ich als Letzten an, er sollte mein Abschluss für den heutigen Tag sein. Harry war Mitte dreißig und seit Jahren mobil für unsere Firma tätig. Ein Verkäufer mit Leib und Seele und fast jeden Tag mit seinem Firmen-BMW auf Deutschlands Straßen unterwegs. Er liebte die Freiheit; hätte man ihn in ein Büro gesetzt, er wäre auf der Stelle eingegangen wie eine Topfblume ohne Wasser und Licht. Irgendwo bewunderte ich ihn.
    Harry war nicht einfach nur frei, er nutzte diesen Umstand auch in vollem Umfang aus. Und wenn er nur mal für sieben Tage nach Neuseeland flog, einfach weil ihm gerade danach war. Natürlich mochte ich meinen Job, doch ab und zu biss mich auch dieser hartnäckige Floh, mal allem zu entfliehen, meine Freiheit einzufordern und vielleicht was gänzlich Neues zu beginnen. Musste ja nicht gleich eine Muschelzucht auf Palau sein. Barkeeperin am Strand von Mexiko wäre für den Anfang ja auch nicht schlecht.
    Kaum hatte ich Harrys Nummer gewählt, hob er auch schon ab und tönte in seiner bekannt lauten Stimme: „Guten Morgen Alinchen, wie geht es meinem Sonnenschein denn heute?“ Ich musste mir erst mal den Hörer vom Ohr halten, so stechend war mir der Kopfschmerz durch den Gehörgang in die linke Schläfe gefahren.
    „Autsch … hallo Harry. Könntest du bitte ein wenig leiser sprechen? Ich hab heute ziemliche Kopfschmerzen.“
    Doch anstatt meinem Wunsch zu entsprechen, vernahm ich am anderen Ende der Leitung nur schallendes Gelächter, das sich mit dem Rauschen der schlechten Verbindung zu einer hässlichen Sinfonie paarte. Harry war offenbar schon auf dem Weg zu einem weiteren Kunden.
    „Was ist denn los, Sonnenschein, gestern

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