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Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Titel: Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Byron
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oder wie sehr sie oberflächlichen Tratsch mochte – wenn sie jemanden liebte, dann kümmerte sie sich von ganzem Herzen um ihn beziehungsweise sie. So nickte ich nur, drückte sie kurz an mich und bedankte mich artig für den Chauffeurdienst.
    „Pass auf dich auf, Aline“, ermahnte sie mich noch beim Aussteigen.
    „Versprochen“, lächelte ich sie an und hob wie zum Schwur die rechte Hand, während ich mit der Linken meine Frühstückstüte hielt. Betty seufzte.
    „Versprich nicht, was du sowieso nicht halten kannst.“
    Ich zuckte lächelnd die Schultern, stieg aus und schloss die Autotür. Wenigstens in diesem Fall hatte ich die Wahrheit gesagt, die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit.
    Ich würde auf mich aufpassen.
    Ganz sicher.
    In meinem Büro angekommen, erwartete mich eine Überraschung. Harry Steet lümmelte in absolut lässiger Pose in meinem Drehstuhl, ein Bein auf meinen Rollcontainer abgestützt, in der Hand eine gerade angesteckte Zigarette. Ja, Zigarette am Arbeitsplatz. Wir arbeiteten schließlich in einem Tabakkonzern, was haben Sie erwartet? Ich selber rauchte nicht, gehörte damit aber zu einer Minderheit im Firmenkomplex. Unter Rauchern zu arbeiten störte mich nicht weiter, und Raucher selbst sind zudem weitaus weniger militant als mancher Gesundheitsapostel.
    Als Harry mich sah, sprang er sofort aus meinem Stuhl und umarmte mich so fest, dass mir fast die Luft wegblieb.
    „Da ist ja mein Sonnenschein!“, lachte er mich an, und seine blauen Augen blitzten vor Freude.
    „Morgen, Harry“, stammelte ich, „wow, also … nimm es mir nicht übel, aber ich bin jetzt schon etwas überrascht, dich hier zu sehen. Ist ja schließlich nicht so ganz deine Uhrzeit.“ Obwohl ich mich natürlich freute, meinen Lieblingsschwerenöter wiederzusehen, irritierte mich seine frühe Anwesenheit. Harry war mehr der Zehn-Uhr-ist-noch-mitten-in-der-Nacht-Typ. Oder war ich etwa zu spät? Ein Blick auf das Display des Telefons ergab acht Uhr zwanzig. Nein, an mir lag es also nicht.
    „Ich bin extra deinetwegen früh aufgestanden, Aline. Und schlafen kann ich immer noch, wenn ich tot bin.“
    Dabei schenkte Harry mir sein breitestes Zahnpastalächeln. Tatsächlich erkannte ich unter seinen Augen leichte Ringe. War wohl eine lange Nacht gewesen. Von wegen früh aufgestanden; er war sicher gar nicht erst schlafen gegangen. Egal wie alt Harry wurde, die Begriffe Vernunft und Ruhe hatte er beinahe völlig aus seinem Wortschatz entfernt. Schlafen kann ich, wenn ich tot bin.
    Der hatte ja keine Ahnung.
    „Bock auf’n Käffchen?“, fragte ich und griff nach der silbernen Kanne, die auf dem kleinen Beistelltisch hinter meinem Stuhl stand. Unsere Chefsekretärin Ulla war wie jeden Morgen schon vor sieben Uhr in der Firma gewesen und hatte für alle auf dem Stockwerk das Kaffeekochen erledigt. Eine gute Fee, wie sie im Buche stand.
    „Gerne“, antwortete Harry und ließ sich wieder in meinem Stuhl nieder.
    „Mach’s dir ruhig bequem“, spöttelte ich und erntete ein Augenzwinkern, das mir signalisierte: Er war sich meines Sarkasmus’ durchaus bewusst. Ich reichte ihm eine Tasse voll mit heißem, duftendem Kaffee und lehnte mich ihm gegenüber an die Kante meines Schreibtisches, sorgsam darauf bedacht, dass kein Post-it aus Versehen an meinem Hintern kleben blieb.
    „Und, wer war diesmal die Glückliche?“, fragte ich grinsend. Gespielt schockiert riss Harry die Augen auf und fasste sich in einer dramatischen Geste an seine Brust.
    „Bitte, Aline, du beschämst mich. Nicht jede Party endet automatisch mit einem Betthupferl.“
    „Bei dir schon“, gab ich zu bedenken und erhielt dafür einen Klaps auf meinen Oberschenkel.
    „Wir sind aber heute ungewöhnlich frech“, ermahnte mich Harry neckend und nahm einen Schluck Kaffee. „Hatten wir etwa selber ein aufregendes Wochenende?“
    Blut schoss mir innerhalb einer Millisekunde ins Gesicht, und ich spürte, wie sich die Gefäße unter meiner Haut erweiterten, um die verräterische Röte preiszugeben. Verdammt, er hatte mich voll erwischt. Mein Körper reagierte auf den kleinsten Gedanken an Daron und an das, was wir noch vor wenigen Stunden miteinander angestellt hatten. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, und da es sowieso schon zu spät zum Leugnen war, versuchte ich einfach, das Beste aus der Situation zu machen. Ich setzte ein kokettes Lächeln auf und ließ ein kryptisches „Vielleicht“ einfach so im Raum stehen.
    Harrys Mund

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