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Auserwaehlt

Auserwaehlt

Titel: Auserwaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Nowak
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waren. Wahrscheinlich
genügte ein flüchtiger Blick in der U-Bahn, ein bestimmtes Kleidungsstück oder
eine bestimmte Art, sich zu bewegen, und die Frauen haben ein altes
Kindheitstrauma bei unserem Täter aktiviert. Mit hoher Wahrscheinlichkeit
liegen dem eine problematische Mutterbeziehung und ein abwesender Vater
zugrunde.“
Leises Gemurmel, Stühle scharrten. Clara sagte wieder nichts.
Kranich war aufgestanden. Sie ging vor der Wandtafel hin und her. Die
Powerpoint-Präsentation war immer noch angeschaltet und ließ ihr Gesicht rot
aufleuchten.
„Ganz so flüchtig können die Begegnungen ja nicht gewesen sein“, sagte sie. „Er
wusste, wo Helga Kramer wohnte. Ich denke, er hat sogar den Einbruch verübt, um
ihr Angst zu machen und die roten Zettel zu platzieren. Er wusste sogar, dass
sie den Zug nach Berlin nehmen würde. Und wir dürfen nicht vergessen, dass er
die E-Mail-Adresse seiner Opfer kannte.“
„Dieses Internetcafé in Berlin Mitte.“ Kranich blieb abrupt stehen und suchte
den Augenkontakt zu Sven, dem Spezialisten für Überwachung. „Wurde das damals
eigentlich überprüft?“
„Leider nicht.“ Dem Angesprochenen war es sichtlich unwohl. „Nach dem
Selbstmord von Raul Malik galt der Fall ja offiziell für ...“
„Schon gut.“ Kranich blickte zu Clara. „Wir fahren da nachher hin.“
    „Hagen, kommst du mal kurz?“ Kranich ordnete die Papiere auf
ihrem Tisch und wartete, bis alle den Besprechungsraum verlassen hatten.
Sie räusperte sich. „Stimmt das, was Clara gesagt hat?“
„Was hat Clara gesagt?“ Hagens Augen zogen zusammen. Kranich wusste, dass er es
wusste.
„Stella Krefeld hat vor gut einem Jahr zusammen mit Professor Richtstein das
Jura-Fortbildungsseminar geleitet.“ Sie hielt ihr Notizbuch in der Hand und las
mit nach oben gezogenen Augenbrauen den Seminartitel vom Blatt: „Gesellschaftliche
und politische Grundlagen des Rechts.“
„Ein paar von unseren Leuten waren dort“, fuhr sie fort und beobachtete Hagen
genau. „Unter anderem Clara. Und Du.“
Hagen war ernst. „Ja, das stimmt.“ Er setzte sich zu Kranich auf den Tisch und
senkte den Kopf. „Heute Morgen habe ich die Frau nicht erkannt. Erst nachdem
Clara mich darauf hingewiesen hat, fiel es mir wieder ein.“
Er sah Kranich in die Augen. „Mein Gott, ich kann mir ja nicht jede Frau merken,
der ich irgendwo mal zufällig über den Weg gelaufen bin.“
Kranich ging zum Fenster. Clara und Johannes überquerten unten die Keithstraße.
Johannes hatte einen Arm um Clara gelegt.
„Ist das jetzt ein Problem?“, fragte Hagen. Kranichs Schweigen machte ihn
nervös.
„Am letzten Abend des Seminars gab es ein gemeinsames Essen.“ Kranich sah ihn
nicht an. „Clara ist sich nicht ganz sicher, aber sie meint, sich zu erinnern,
dass Du und Stella das Lokal zusammen verlassen habt.“
Abrupt drehte sie sich zu Hagen um.
„Das wäre ein Problem!“, schrie sie.
Stille. Kranich hatte die Panik in Hagens Augen gesehen.
„Das ist lächerlich.“ Hagen hob beide Hände. Er hatte sich wieder unter Kontrolle.
„Stimmt das, hast du mit der Frau die Lokalität verlassen?“ Kranichs Stimme war
scharf.
Er nickte.
„Dann nimm bitte Stellung, Hagen.“
Er setzte sich gerade auf. „Stella Krefeld mag eine attraktive Frau gewesen
sein, aber sie war nicht mein Typ. Zuviel Schminke, zu viel Powackeln, zu viel
Gegacker –“
„Das interessiert mich einen feuchten Käse!“
„Okay okay“, verstand er Kranichs drohenden Blick. „An jenem Abend war sie
ziemlich betrunken, es kann sogar sein, dass sie mich angeflirtet hat, doch ich
habe damals gar nicht darauf geachtet.“
„Erst als Clara mich heute Morgen darauf hingewiesen hat, fiel mir das wieder
ein.“ Er zuckte mit den Achseln. „Die Situation hat mich damals offensichtlich
nicht stark beeindruckt.“
Kranich wartete.
„Frau Krefeld hat mich gebeten, sie nach Hause zu fahren. Ich hatte zwar keine
große Lust, aber sie war ja schon ziemlich betrunken und natürlich“, er zuckte
wieder mit den Achseln, „wenn mich eine Frau um etwas bittet, kann ich schlecht
Nein sagen.“
„Außerdem lag ihre Wohnung auf meinem Nachhauseweg“, schob er schnell ein.
Die Falte zwischen Kranichs Augenbrauen vertiefte sich.
„Ich habe dann noch so ein Hühnchen gefragt, ob sie auch mitfahren will, einfach
weil ich nicht in die Situation kommen wollte, in die du mich jetzt bringst!“
Er unterdrückte seine Wut. „Ich war dann nur froh, dass die beiden mir nicht
das Auto

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