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Auserwaehlt

Auserwaehlt

Titel: Auserwaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Nowak
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Briefträger?“ Hagen widmete seine Aufmerksamkeit
jetzt voll und ganz dem ausgezehrten Mann. „Ich erzähle Ihnen davon: Wer
glaubt, er bekomme einen Millionengewinn ins Haus geliefert, wird für krank
erklärt. Aber so etwas gibt es! Das ist der Punkt! Manchmal bringt der
Briefträger tatsächlich die Nachricht vom Glück. Es ist selten, aber es
passiert, nicht wahr?“
Clara versuchte, Hagens Gedanken nachzuvollziehen, doch ihr Gehirn streikte.
Ellenkamp hingegen schien verstanden zu haben, was Hagen meinte.
„Jesus hat ja auch niemand geglaubt“, sagte Ellenkamp mit rauer Stimme. Sein
Blick war nicht mehr ganz so hart.
„Ich glaube Ihnen.“ Hagens Stimme triefte vor Respekt. „Hier, in diesem kargen
Raum, haben Sie jetzt die Gelegenheit, ihre Botschaft mitzuteilen. Wenn Sie kooperieren,
wird sich das positiv auf ihre Haftstrafe auswirken.“
„Haftstrafe?“
„Tim, überleg doch mal.“ Hagen lehnte sich zurück. Das blütenweiße Hemd spannte
sich über seiner Brust, die Krawatte rutschte nach rechts. „Man muss für seine
Überzeugungen leben. Wer als Krieger in die Welt zieht, muss Rückschläge
hinnehmen können wie ein Mann. Denken Sie nur an Hitler, an Stalin, an bin
Laden. Sie alle saßen zu Beginn ihrer Karriere im Gefängnis, daraus gingen sie
gestärkt hervor.“ Er zwinkerte Ellenkamp zu. „Aber es ist ein Unterschied, ob
man mit vier weiteren Mithäftlingen eine Zelle teilt, mit primitiven
Gewaltverbrechern oder ...“ er räusperte sich, „oder ob man in Einzelhaft sogar
über einen eigenen Schreibtisch verfügt. Überlegen Sie mal, Ihr Publikum wird
stark anwachsen, wenn Sie Ihre Botschaft vom Gefängnis aus schreiben! Man wird
Sie ernst nehmen!“
Hagen schob die beiden Fotos wieder zu Ellenkamp hinüber.
„Wenn Sie ein Geständnis ablegen, wird sich das positiv auswirken.“
„Schauen Sie sich das genau an.“ Er tippte auf Helga Kramer. „Sie haben gesagt,
sie kennen diese Frau. War es ihre Lehrerin?“
„Dann habe ich mich geirrt“, sagte er. „Vielleicht dachte ich, es wäre Frau Seiler.“
„Frau Seiler? War das Ihre Lehrerin?“
Ellenkamp genoss jetzt sichtlich die Macht, sein Gegenüber warten zu lassen. Er
verschränkte die Arme.
„Sie war eine gottverdammte Fotze“, sagte er schließlich.
Hagens Blick loderte auf. „Und sie dachten, diese Frau wäre Frau Seiler, und
deshalb haben Sie sie umgebracht?“
Er konnte spüren, wie sie hinter der Fensterscheibe den Atem anhielten.
„Wie haben Sie es getan?“
Es klatschte. Hagens rechte Hand ballte sich zur Faust und schlug rhythmisch
gegen die Handfläche der linken, es klatsche wieder, die Schläge wurden
schneller. Ellenkamp grinste. Er schien verstanden zu haben.
„Sie hat meine Jugend versaut, diese Hure.“
„Und da haben Sie ihr das Ding reingerammt?“
Ellenkamp schwieg.
„Irgendjemand musste es tun, nicht wahr?“
Ellenkamp schwieg.
„Santo?“
Er sah auf.
„Hat Santo die Hure vernichtet?“
Ellenkamp atmete schwer. Zum ersten Mal sah Clara, dass seine Augen nicht nur
tot waren. Sie brannten. Es war ein Feuer, das aus dem Herzen kam und die Kälte
in seinem Gesicht kurzfristig vertrieb.
„Herr Ellenkamp.
Sie haben das Recht zu schweigen. Alles, was Sie sagen, kann
vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Sie haben das Recht auf einen Anwalt.
Sollten Sie sich keinen leisten können, stellt Ihnen das Gericht einen zur
Verfügung“, beeilte sich Hagen den Spruch herunterzuleiern.

„Reden wir noch mal über Ihre Freundin Ann-Kathrin.“ Er hoffte, Ellenkamp nicht
zu verlieren. „War sie hübsch? So wie diese Frau?“
Er schob ihm das Foto von Stella Krefeld über den Tisch. Die nackte Haut. Der
schwarze Tanga. Ellenkamp sah es an.
„Hatte Ann-Kathrin auch so große Titten? Eine kleine, feuchte Muschi?“
Ellenkamp rutschte auf seinem Stuhl hin und her.
„Du arbeitest doch regelmäßig in der Staatsbibliothek“, stellte Hagen fest. „Da
ist sie dir aufgefallen, stimmt's? Du fandest sie schön.“
An der Reaktion seiner Augen war zu sehen, dass Hagen ins Schwarze getroffen
hatte.
„Aber sie hat dich ignoriert?“ Hagen drehte an seinem Ring. „Sie hat deine
Liebe mit Füßen getreten, stimmt's?“
„Diese Schlange“, keuchte Ellenkamp und der Schmerz in seinem Gesicht zwang
Clara, sich abzuwenden. Der Schmerz war echt.
Er war es, dachte Clara, als sie die Augen schloss.
„Ist sie tot?“ Ellenkamp wirkte plötzlich unruhig. Er drehte sich immer wieder
um, als suche er etwas. „Ist sie wirklich

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