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Auserwaehlt

Auserwaehlt

Titel: Auserwaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Nowak
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Beim Anblick
der Nudeln vom Mittag, die jetzt in der Kloschüssel hingen, wurde Clara
bewusst, wie sehr sie die Zeit mit ihren Freunden vermisste. Den einzigen
Grillabend in diesem Sommer hatte sie Anfang Juni mit ihren Kollegen verbracht.
Man traf sich in Leonhards Schrebergarten am Volkspark Wilmersdorf, man trank
ein paar Bierchen und unterhielt sich über die Arbeit. Am nächsten Morgen war
Clara von Mückenstichen zerstochen und zum ersten Mal mit diesem schalen Gefühl
erwacht, Lebenszeit verschwendet zu haben. Natürlich gab es Überschneidungen,
Margot zum Beispiel war ihre Freundin, doch was war mit den anderen? Mit Sven,
Richard oder Sebastian? Oder mit Hagen, der sich den ganzen Abend über die
Kleingärtnermentalität der „Laubenpieper“ lustig gemacht hatte, was ihn jedoch
nicht davon abgehalten hatte, Leonhard einen Teil des Gartens abzuquatschen,
damit er „endlich mal wieder echtes Gemüse“ bekam, weil er den „Industriefraß“,
wie er bei jeder Gelegenheit betonte, nicht mehr sehen konnte.
Clara stützte sich auf den Rand der Kloschüssel. Zwischen den Spaghetti lief
etwas Braunes mit roten Punkten herab. Waren das die Himbeeren? Clara studierte
das Erbrochene und beschloss, sich wieder mehr Zeit für ihre Freunde zu nehmen.
Seit sie im LKA arbeitete, hatte sie sogar ein längeres Telefonat oder eine
E-Mail als Luxus empfunden. Das war doch nicht normal? Plötzlich spürte sie die
Sehnsucht, mit Sarah, ihrer Schwester oder Oskar zu sprechen.
Du musst David anrufen! Jetzt! Clara wischte sich den Mund ab. Sie drückte die Klospülung. Sie fuhr mit
der Hand über ihren Bauch. Alles in ihr schrie nach David.
Alles. Sie duschte und zog das grüne Kleid an, das sie erst vor vierzehn Tagen bestellt
hatte. Vom Schnitt her war es ein klassisches Etuikleid – knielang, ärmellos –,
doch der Stoff machte es zu etwas Besonderem. Er war ganz leicht, noch leichter
als Seide. Ein schmaler, brauner Ledergürtel verlieh dem Ganzen das gewisse
Etwas. Clara wählte dazu braune Ballerinas.
Eine halbe Stunde später trat sie auf die Straße hinaus. Es war kurz vor neun,
die Hitze des Tages war längst vorbei, doch der Asphalt hatte sie gespeichert.
Abends strahlte er eine Wärme aus, in der sich die Gesichter und Gespräche der
Menschen entspannten. Clara sah sich um. Sie hatte das fast vergessen. Auf den
Plätzen und Bürgersteigen standen Tische und Stühle, die Teelichter spiegelten
sich in den Augen der Menschen, gedämpfte Gespräche lagen in der Luft. Ab und
zu zirpten ein paar Grillen und verwandelten den Verkehrslärm, der von der
Gneisenaustraße herüber drang, in etwas, das nicht mehr störte.
Die Kellnerin brachte zwei Flaschen Bier, ein alkoholfreies und ein Weizen. Sie
stellte ein Schälchen Erdnüsse daneben.
„Prost“, sagte Clara und blickte ihm in die Augen. David war sofort gekommen.
Plötzlich war alles gut.
Am Nebentisch saß ein Pärchen und hielt sich an den Händen.
„Der Fall macht dir ganz schön zu schaffen, was?“ David sah sie vorsichtig an.
Es musste einen Grund geben, warum sie ihn sehen wollte.
„Weißt du“, nickte Clara, „heute haben wir den Hauptverdächtigen festgenommen.
Eine komische Type. Es ist irgendwie so deprimierend, wenn du das siehst.“
„Was?“
„Dass so jemand der Täter ist. Ich meine, der Typ hat sich selbst kaum auf
Reihe, aber er ist fähig, die Realität der anderen dermaßen zu verändern! Einfach,
indem er jemanden umbringt! Das ist so banal und unglaublich. Es macht mich
wahnsinnig.“
David nickte. Er drehte seine Flasche Bier. „Du wirst dich daran gewöhnen.“
„Ich kann mich nicht daran gewöhnen!“
„Habt ihr was aus dem Typen rausbekommen?“, fragte er.
„Ich nicht.“ Es tat so gut, dass David hier war. „Aber Hagen hat ihm ein Geständnis
entlockt, zumindest fast.“
„Hagen van Velzen?“
Clara nickte. Das Pärchen am Nebentisch hielt sich an den Händen und blickte
sich tief in die Augen.
„Ich hab mal mit ihm zusammengearbeitet in so einer Ehrenmordgeschichte. Nicht
schlecht, der Typ, oder?“ Er blickte Clara an, als suche er in ihren Augen nach
etwas.
„Ehrlich gesagt“, sie nahm einen Schluck Bier und verzog das Gesicht. Es
schmeckte anders als sonst. „Er ist ein Wichtigtuer. Aber ich bin trotzdem
froh, dass er im Team ist.“
Sie drehte die Flasche hin und her. „Er komplettiert uns irgendwie.“
„Uns?“ David lächelte.
Clara fuhr sich gedankenverloren über die nackten Arme. „Weißt du, warum ich
damals

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